Ganz anders

Die von Dir erwähnten Gerichte sind, bis auf das Untere, Köstlichkeiten, die nur an
Festtagen oder von reichen Leuten verzehrt wurden. Die deutschen Bauernfamilien
verzehrten von der Frankenzeit bis ins 19. Jahrhundert alltags eigentlich nur ein
Gericht: Getreidebrei, eine mit heißem Wasser angerührte Grütze aus Schrot und
gekochtem Korn, die mit einer Brotscheibe als Esswerkzeug aus einem Topf gestippt
wurde, dazu trank man bis ins 18. Jahrhundert Bier – auch schon morgens, auch die
Kinder. Das aß man das ganze Jahr. Im 18. Jahrhundert kamen Tee und Kaffee hinzu,
wobei der Bohnenkaffee eher etwas für besondere Anlässe war und man unter der Woche
selbsthergestellten Eichelkaffee trank. Eine weitere Veränderung, die zu dieser Zeit kam,
war die Kartoffel, die bisweilen (als Brat- oder Pellkartoffel) anstelle des Getreidebreis
als warme Hauptmahlzeit verzehrt wurde. Fleischgerichte gab es selbst in Bürgerfamilien
nur Sonntags, und „gutbürgerliche Küche“ bedeutet, dass es sich um Gerichte handelte,
die sich nur Patrizier, Manufakturbesitzer und „Die Bürgerlichen“, d.h.
Ministerialbeamten-
Richter- Anwats- und Professorenfamilien leisten konnten.
Die NS-Zeit reicherte über italienische „Fremdarbeiter“ und Zwangsarbeiter
die deutsche Küche mit Spaghetti und Makkaroni an, wobei die Deutschen statt Parmesan
geröstete Zwiebackskrümel verwendeten.
Noch in meiner Kindheit, die sich in den 60er und 70er Jahren in einer
Mittelschichtsfamilie abspielte, gab es unter der Woche mittags kein Fleisch, sondern
vielleicht einen Teller Milchreis mit Zimt, einen Teller Spinat oder Spaghetti, Freitags
Fischstäbchen. Pizza war etwas, das Studenten selber zubereiteten, und das war schon
mächtig internationalistisch und eindeutig links. Meine Eltern begreifen es bis heute
nicht, wieso ich solch fremdartige Sachen wie Shrimps, Muscheln oder Frühlimgsrollen
esse, von Hummer, Souchy oder Couscous gar nicht zu reden, und meine Mutter sagt,
dass sie sterben würde, wenn sie so etwas essen müsste.