Ratgeber und Fallbeispiel

Liebe Modeste, für jedes Gewerbe gibt es einschlägige Fachliteratur, und neben dem
immer angesagten ABC der frisierten Bilanz hierzu einen Roman, dessen Handlung
zum Thema Sekten eigentlich klare Handlungsanweisungen gibt: Karma und Chaos.
Ganz verspannt im Wenn und Aber von Chilly. Bevor Ihr also mit dem Religionsstiften
loslegt, unbedingt lesen.
Zum Thema „Frustrierte Mittdreißigerinnen“ kenne ich übrigens ein besonders prächtiges
Beispiel. In meiner früheren linken Szene gab es eine sehr nervige Frau, die ihren
Feminismus auf eine absurde Spitze trieb. Da jeder Mann ein potenzieller Vergewaltiger
und sie Juristin war, bemühte sie sich sehr, Sexisten ausfindig zu machen, um an ihnen
öffentlich Exempel zu statuieren. Outings von Sexisten waren zu dieser Zeit (Erste Hälfte
90er) ja weit verbreitet. Hatten solche als Tribunale, die zur sozialen
Ächtung der betroffenen Männer aufriefen, sich anfangs nur gegen tatsächliche oder
vermeintliche Vergewaltiger bzw. Frauenbelästiger gerichtet, wurde dies bald auf
Pornokonsumenten und „Verbalsexisten“ ausgedehnt und bald instrumentalisiert, z.B.
bei Konkurrenzkämpfen von Bands um Probenräume (Sexismusvorwurf, um Andere
rauszukicken). Nun, unsere Spezialistin entwickelte da einen inquisitorischen Eifer,
den auch die forciertesten Mitstreiterinnen nicht mehr nachvollziehen konnten.
Szeneintern trug sie den Spitznamen „Dangerwoman“.
Rein äußerlich (Stachelhals- und Armband, Stahlkappenstiefel) hatte sie, die kurz
vor Einsetzen dieser Phase noch sehr bürgerlich gekleidet war, den Kleidung gewordenen
Gesinnungsausdruck bald auf die Spitze getrieben, wobei die wöchentlich wechselnde
Haarfarbe es durchaus erschwerte, sie sogleich wiederzuerkennen.

Szenewechsel, einige Jahre später. Dangerwoman verteilt kostenlos Bücher, Marx
und Engels rauf und runter, Simone de Beauvoir, Verena Stephan, Ingrid Strobl,
Judith Butler, Germaine Greer, die ganzen feministischen Klassikerinnen miteinand.
Alle bedienen sich, alles muss raus. Dangerwoman löst auch ihren Haushalt auf
und verschenkt alles. Sie heißt jetzt Indra Shri sonstwas, hat ihren Guru gefunden
und lebt mit ihm, ich meine, auf Zypern oder so, zusammen und unterwirft sich ihm in
masochistischer Hingabe.