REPLY:

Nun ja, ich lebe erst so richtig auf, wenn ich in der freien Natur bin, vorzugsweise, wenn mein Fortkommen dort mit Anstrengung und Gefahr verbunden ist. Insofern drückt diese Kleidung auch in der Freizeit ein bestimmtes Lebensgefühl aus – ich finde allerdings eine ordentliche Allwetterjacke oder eine Viel-Taschen-Trecking-Hose auch ästhetisch. Und
ich weiß nicht, warum ein Nadelstreifenanzug ästhetischer aussehen soll als etwa eine Gallabejah (oder Djellaba, wie man in der momentanen Umgebung des Pathologen sagt) oder ein Kimono. Alles eine Frage kultureller Codes, die für mich keine Bedeutung haben. OK, und in dem
linken Millieu, dem ich lange Zeit angehörte, galten Funktionskleidung,
Motorradklamotten und englische Wachsjacken (nicht igittebäh-Barbour, sondern Belstaff) als cool, ja geradezu sexy, weil diejenigen, die sie trugen, sich damit als die kämpfende Truppe outeten, jene, die wasserwerferresistente Klamotten benötigten. War natürlich Macho-Gehabe (das von Frauen genauso häufig wie von Männern betrieben wurde – was ist ein weiblicher Macho?), gehörte aber zum Stallgeruch des Millieus. Ich fand es ja auch lächerlich, wenn Leute als Ein-Mann-Expedition durch den Großstadtdschungel posierten, dennoch erzeugt es bei mir so eine Art Heimatgefühl. Ich selbst und viele der Meinen bevorzugte Kampfchic. Das ist ein Look, für den etwa folgende Dinge typisch sind: Frau mit 12-Loch-High-Heel-DrMartens, Spitzenstrumphosen oder Strapsteilen, Minirock und Motorradleder- oder Schweizer Armeejacke, Mann mit Offiziersstiefeln, Lederjeans und Antiklederjacke. Meine eigene Outdoorkleidung ist für mich aber mit dem Bergsteigen und mit Wüstenexkursionen verbunden, sie trägt für mich die Erinnerung an erlebte Abenteuer und ist entsprechend emotional aufgeladen. Ich trage sie aber nur mindestens im Wald, nicht auf der Straße.