The silent downturn of Krokette

Da gehen Sie also einmal richtig gut essen, es gibt irgendwas mit Trüffel obendrauf oder Seezungenröllchen mit Morchelsülze oder ein Risotto aus Lebensmitteln, von denen Sie nie angenommen hätten, das man daraus Risotto machen kann, Graupen oder so. Gefüllte Nudeln werden immer gern genommen, vielleicht mit einem wirklich exotischen gehackten Kürbis innendrin oder Entenstopfleber oder derlei Dingen, die ja wirklich gut schmecken, wie man weiß. Steak steht auch auf der Karte, aber wenn Sie das bestellen, habe ich gehört, wird Sie der Koch verachten, den Sie zwar nicht kennen, aber das hat man ja nicht so gern, und Steak gibt’s schließlich auch anderswo.

Vielleicht ist Ihnen das auch alles zu teuer, Sie haben kein Geld und niemanden, der Sie einladen möchte, und gehen deswegen einfach eine Portion Sushi essen, Ente in Misosauce und dazu gibt es Reis. Sie können auch Pizza essen, so eine riesengroße Pizza mit wahnsinnig viel Lachs drauf und einem ganzen Becher Créme fraîche in den S-Bahnbögen, thailändische, scharfe Suppen bei Monsieur Vuong, oder ein Wiener Schnitzel in Kreuzberg.

Dann schleppen Sie sich nach Hause. Sie sind satt. Sie sind so eindeutig satt, dass es fast schon widerlich ist, aber irgendetwas, irgendetwas fehlt. Sie hatten Reissuppe mit japanischem Berggemüse, Sie haben Weinbergschnecken bekommen, man hat Ihnen Tarte Tatin gebracht und Seewolf gebraten, aber in Ihrem Magen ist ein Loch. Nicht ein richtiges Loch, keine tatsächliche Leere. Tatsächlich sind Sie eigentlich pappsatt und können überhaupt nichts mehr essen, und wenn Sie es versuchen würden….tja, das ginge schlecht aus und morgen lägen Sie im Bett.

„Mein liebes Fräulein Modeste!“, ächzen Sie pappsatt, aber diffus unbefriedigt, in die Nacht und bitten um Aufklärung, was nun eigentlich gerade nicht stimmt. Sie haben etwas nicht bekommen, wonach Ihnen der Sinn steht, aber Sie wissen nicht was. Ihre Sehnsucht, um einmal ein wenig pathetisch zu werden, kreist ziellos über Ihrem Bauch. Verschwörerisch, fast etwas geheimnisvoll, beuge ich mich dann über Sie und flüstere Ihnen die ganze Wahrheit ins linke Ohr: Es liegt an den Beilagen. Sie stottern etwas von Bärlauchspätzle und gratinierten Stampfkartoffeln, von großartigem Brot oder Sobanudeln, aber ich, ich schüttele einfach nur den Kopf. Kroketten, sage ich, und auf einmal wissen Sie, woran es fehlt.

Seit Jahren, stöhnen Sie aus den schmerzhaften Tiefen Ihrer Übersättigung, fressen Sie sich durch die Berliner Gastronomie. Wo man isst, da essen auch Sie, wo man trinkt, da lassen Sie sich nieder, und der Tag ist nicht fern, an dem die Berliner Sommeliers zu Ihrem Geburtstag eine Delegation schicken werden. Kroketten aber, Kroketten haben Sie jahrelang keine gesehen, noch nicht einmal von Kroketten gelesen, denn die Speisekarten Berlins, sie sind vollkommen krokettenfrei, denn die Krokette muss irgendwann aus der Mode gekommen sein und niemand isst mehr davon. Ein trauriges Randgruppendasein führt die Krokette und wird lediglich von älteren Damen noch heimlich aus den Tiefkühltruhen gefischt und sofort unter einem Beutel Rucola verborgen.

Da liegen Sie dann also, halten sich den Bauch und stöhnen nach Kroketten. Natürlich paniert, knusprig außen, innendrin weich und saftig mit Jägersauce oder Rahmsauce dazu, und dazu passt weder eine marinierte Ente mit Ingwer und Honig noch Jacobsmuscheln oder Lammbratwurst. Zu Kroketten passen ein paar Bratenscheiben, Rinderschmorbraten oder ein Kalbsrücken oder einfach ein Butterschnitzel mit Spiegeleiern obendrauf.

„Das kann so schwer nicht sein.“, fangen Sie an zu spekulieren. „Hah!“, sage ich und berichte über eins der letzten schwarzen Löcher der Berliner Gastronomie: Wo man Kroketten isst, da will man nicht hin, weil die Küche da Tiefkühlerbsen auftaut und stinkende Braten aus alten Schweinen zubereitet. Außerdem sind die Leute hässlich, die in diesen Restaurants verkehren, und das Interieur sagt einem ästhetisch empfindsamen Gemüt auch nicht zu. Der Untergang der Krokette in der Wohlfühlgastronomie, sage ich.

Das darf doch nicht wahr sein, protestieren Sie und schlafen ein mit Ihrem vollen Magen. In Ihren Träumen servieren reizende Kellnerinnern krosse Kroketten und Schmorbraten dazu, Küchenchefs beherrschen die Kunst der perfekten Rotkohlzubereitung, aber in Wirklichkeit, in der Berliner Realität, gibt es keine Schmorbraten, keine Kroketten, und das ist sehr, sehr schade.

20 Gedanken zu „The silent downturn of Krokette

  1. wie die Windbeutel

    Ja genau! Irgendwas war mir auch schon lange komisch – es gibt, genau wie die Bäckereien keine Windbeutel mehr auslegen – keine Kroketten mehr auf den Berliner Speisekarten.
    Da lobe ich mir die Kolbower Gaststätte „Zur Linde“, hier gibt es Kroketten nach Herzenslust und alles handgemacht und frisch und wer zu Unzeiten Kartoffelpuffer bestellt bekommt sie direkt aus dem Garten in den Mund …
    Obwohl, kennen Sie das Fellas? Da könnte man in einer Wochenkarte mal Glück kaben.
    (Huuuuuunger!)

  2. REPLY:
    windbeutel …

    in einem der bücher auf meiner ewigen bestenliste fährt pünktchen mit ihrem
    vater nach charlottenhof windbeutel essen … als kind konnte ich mir darunter nie etwas vorstellen, bis ich in den anfängen meiner kochbuchsammelleidenschaft mit einem entsprechenden rezept konfrontiert wurde. selbst zubereitet habe ich zwar noch nie welche, genossen jedoch schon – und heute werde ich vermutlich den ganzen nachmittag lang versuchen, den gusto nach von einem hauch teig umhüllter luft, gefüllt mit köstlicher crème, niederzukämpfen …

  3. Es sollte mehr knusprig krosse Kroketten geben. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn Blogger.com seine technischen Probleme so langsam mal wieder in den Griff bekommt. Seit Donnerstag war ja nun schon eine Menge Zeit… grummelbrummel.

  4. apropos Krokette…

    also ich kann überhaupt nicht über Entzugserscheinigungen klagen…,
    die Krokette gehört beinahe zur Standardbeilage in der Cäsarenkantine und ist so lecker, dass sie – im Verein mit einem frischen Salat – ihren Ruf als eine raffinierte „Sättigungsbeilage „ weit hinter sich lässt…

  5. Kolbow, Frau Kaffeemäulchen? Wo zur Hölle liegt Kolbow? Das Fellas kenne ich nur dem Namen nach, aber vielleicht schaue ich mich da einmal ausgiebig um, wohingegegen ein Blick in die Caesarenkantine, Herr (?) Wallhalladada, sich für mich natürlich schon mangels Kenntnis ihrer Lage und Beschaffenheit verbietet.

    Was Windbeutel angeht, Frau Walküre, kann ich ja den Berlinern unter uns die Bäckerei Zessin empfehlen, deren Brot zwar reichlich hart, deren Windbeutel aber wirklich empfehlenswert sind. Es gibt da auch einen Käsekuchen, der ganz gut ist, ansonsten sollte man das Sortiment aber eher meiden.

    Und technische Probleme, lieber Ole, sind natürlich ohnehin das Letzte, zumal dann, wenn diese Probleme uns den Genuss Ihrer Texte vorenthalten, wie es gegenwärtig zu sein scheint. Bringen Sie den Göttern der datenverarbeitungstechnischen Unterwelt doch ein paar Kroketten zum Opfer, vielleicht läuft es dann ja wieder.

  6. Ab in die Kantine

    Wenn Sie das nächste Mal in Düsseldorf weilen, liebe Modeste, lade ich Sie in unsere Kantine ein. Dort gibt es ständig Kroketten mit wunderbar fettiger Sauce.

  7. In der Kantine meines Arbeitgebers Kroketten DAILY…Manchmal auch Herzoginkartoffeln Pommes Duchesse. Aber in der freien Wildbahn habe ich beide wirklich lange nicht gesehen.

  8. REPLY:

    Es scheint so, als seien tatsächlich Kantinen die letzten Refugien der Krokette. Diese Entwicklung ist an mir, die ich keine Kantine frequentiere, irgendwie vorbeigegangen.

  9. Ja wie jetz?

    (N.B.: Mit dieser Frage haben wir Eltern unsere Kinder in den Osterferien zur Weißglut gebracht. Wir haben einfach untereinander vereinbart, jeder Kinderfrage mit „Ja wie jetz?“ zu begegnen und sind von diesem Plan kein Jota abgewichen, außer es ging wirklich nicht. Durchschlagender Erfolg: nach wenigen Ereignissen dieser Art war Ruhe.)

    Jedenfalls: morgen gibt das hier Kroketten. Das ist schon mal sonnenklar. Vielleicht mit Wiener Schnitzel, Jägersauce mit Champagnignons und Bohnensalat. Das könnte gehen.

    Danke für den Tipp.

  10. in potsdam in der mensa gab es auch viel zu oft kroketten. so oft, dass ich irgendwann den verdacht hegte, das kartoffelpüree vom vortag werde zu selbigen verarbeitet, und fortan keine mehr aß. jetzt, wo du es sagst, könnte ich aber glatt einen vollen mensateller kroketten verschlingen!

  11. bei meiner mom, da gibts lecker kroketten! und so weit ist sie noch nicht, daß sie rucolasalat hätte, um sie drunter zu verbergen. da gibts nur echten salat aus echtem garten. mit ohne kroketten drunter.

  12. REPLY:

    Kolbow ist das Dorf zwischen Zierzow und Prislich. Alles zu Fuß abzulaufen, habe ich aber noch nie gemacht. Kurz gesagt, im Herzen von Mecklenburg, meiner Heimat. Ich erinnere mich schwach, sogar im Festsaal der „Linde“ geheiratet zu haben …
    Heute probiere ich mal „Vom Essen reden macht satt“ – gehen sie manchmal ins KaufDichGlücklich? Ich empfehle die Vollkornwaffeln mit Vanilleeis, Sahne und heißen Kirschen. Und dabei draußen sitzen und zuschauen, wie die Holländer gerade ihren Fahrradladen eröffnungsreif machen.
    (Einen spritzigen Tag! Hoffentlich sind Sie nicht so spät aufgestanden wie ich.)

  13. REPLY:

    KaufDichGlücklich, aber klar. In der Oderberger sitzen, Waffeln, Roseneis und frischen Pfefferminztee. In die Sonne blinzeln und überlegen, was man anfängt mit dem Rest des Tages. Hach, vielleicht heute nachmittag. Oder die Dependance am Weinbergspark, wo es auch Flammkuchen gibt.

  14. REPLY:

    Ah, Herr Reuter, Schnitzel mit Jägersauce, sehr gut. Ich habe ja gestern abend Bouletten gebraten, Tiefkühlkroketten und Rahmsauce und Erbsen und Wurzeln. Eine Zeitreise auf dem Teller, aber geschmeckt hat es schon. Heute dagegen wieder etwas leichter, Fisch mit einer Limetten-Koriander-Vinaigrette.

    Dass Mensen und Kantinen, Frau Saoirse, das Szepter der Krokette noch hochhalten, könnte natürlich auch für den Nidergang in freier Widlbahn verantwortlich sein. Irgendwann verbindet sich natürlich die Krokette an sich mit diesem „Auf-Arbeit“-Feeling, und das verbinden viele Leute ja als unangenehm.

    Und echten Salat aus dem Garten, Herr Lucky, den hätte ich auch gern. Aber kein Garten, kein Salat, und nichts als ein Beutel Feldsalat von Kaisers um die Ecke.

  15. REPLY:

    Die Götter werfen zuweilen ja auch Colaflaschen vom Himmel. Sagt man. Irgendwo, unweit vom Herz der Finsternis. Dafür kuscht die Technik heute aber wieder. Da freut man sich. 🙂

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