Jede gute Geschichte wird überleben, Herr Juerg1940. Weil man nicht aufhören kann, um Anna Karenina zu weinen und mit Lachen halb und halb mit Kpfschütteln um Toni Buddenbrooks verpfuschtes Leben zu trauern. Weil man jedes Mal erneut mit Grauen Lady Macbeth im Wahnsinn versinken sieht, weil die Liebe selbst als Amazonenkönigin blutig und triumphierend den Achill zerfleischt, weil sie ihn liebt. Weil einem die Literatur ermöglicht, die Welt mit vielen Augen zu sehen, zu riechen und anzufassen, viel mehr Leben zu führen, als man sie hat. Und das kann einem nichts ersetzen.

Da hat, denke ich, Herr Sokrates recht, dem ich, was Heinrich Böll angeht, allerdings nicht beipflichten kann. Den kann ich nicht ausstehen, den habe ich bloß zu beleidigen vergessen. Der ist mir zu betulich, zu bemüht, das ist Kirchentagsliteratur. Dem fehlt Lässigkeit, Eleganz und etwas Verspieltes, bei dem ist alles schwer, nichts surrt und flirrt, kein Zwielicht trügt und täuscht. So ist die Welt nicht mehr, wenn sie jemals so war. Dem fehlt etwas, für das mir ein wenig die Worte fehlen, aber das Helmut Krausser besitzt, ein Gespür für die Halbheiten unserer Welt und die Lust am Untergang. Christian Kracht, der die richtigen Worte findet für die Leere der Welt, für die Todtraurigkeit und die Einsamkeit, deren Kälte die Welt bersten lässt, die wir kennen. Die Einsamkeiten bei aller Kunstgewerblichkeit Judith Hermanns, die leuchtende Verkommenheit, die vergeblichkeit und der Ekel bei Fauser, Peter Glaser, Wondratschek, vielleicht Lottmann.

Und Ahnung, Frau Aqua, braucht es nicht, wenn es um Liebe geht. Ahnung kann man getrost der Wissenschaft überlassen. Wir sind hier ja nicht das Feuilleton.

Und danke, Herr Bandini.