„Peter Handke, und das sage ich jetzt einmal so als völlig Unberufene, ist ja sozusagen der Theodor Storm der Gegenwart. Da kratzen Sie sich jetzt ein wenig ratlos am Kopf und überlegen, wer das eigentlich… also nicht der Handke, denn kennen Sie, das ist ja der mit den Serben, aber Theodor Storm?“

genau, der aus der husumerei, kleinkleindichter, aber doch schön. erst wollte er deutscher, kein däne sein, was sich die dänen verbeten haben, denn schleswig-holstein war zu der zeit dänisch. dann übernahm preussen die geschäfte dort, und der herr amtsrichter merkte, dass er vom regen in die traufe geraten war, und resignierte still. da ist ein handke doch ein anderer, erst reden, dann nichts gesagt haben wollen, dagegen sein, aber gleichzeitig mitmachen wollen oder wenigstens gut dotierte preise abgreifen. eigentlich läge der vergleich zu stifter näher, den schon arno schmidt als unmensch geoutet hat. arno schmidt? ach, auch so ein langweiler.

„Die ganze Gruppe 47, dieses Sedativum der deutschen Literatur, jene Herren, die die gesamte deutsche Gegenwart seit dem Kriegsende begleiten mit einem Strom aus Papier, auf dem unsympathische Protagonisten Frauenzimmer kennenlernen, die man nicht zu Gast haben möchte. Etwas Missmutiges wandert durch diese Seiten, etwas Missvergnügtes, Übelriechendes, sehr Protestantisches.“

nun war das mit der gruppe 47 so, dass die in der zeit nach 1945 nicht allein da standen. da waren zunächst alle die, die so gar nichts mehr von dem wissen wollten, was sie zwölf jahre lang getrieben hatten. zumindest in trizonesien war das so, in der ostzone war man eine logische sekunde nach der niederlage bereits bei den siegern, bis heute übrigens, was einige feinheiten neufünflands erklärt.

offensichtlich sind die drittreichigen dichter schon so weit weg, dass nicht nur die namen sondern sogar die umstände um ihr wirken vergessen sind. und auch die der inneren emigration scheinen so gut wie vergesen zu sein. mein vorschlag: ruhig einmal die literatur der späten vierziger/früheren fünfziger jahre unter dem aspekt der kontinuität und des bruchs betrachten, weil, das ist wirklich schon soweit weg, dass es ganz überraschend neu wirken könnte. ausserdem gibt es da teilweise sehr überraschende biografien zu entdecken, passt vielleicht jetzt auch wegen dem hype, der jetzt eben um benn gemacht wird.

anmerkung: es kann natürlich auch so sein, dass das, was als hype empfunden wird, der blossen notwendigkeit geschuldet ist, feuilletonistisch locken auf glatzen zu drehen, oder sich sein zeilengeld zu verdienen. dabei ist ein kalender mit den etsprechenden literarischen jahrestagen, ggf. auch ein archiv zur wiederverwertung, sehr hilfreich. so dass diese geschäftigkeit von aussen gesehen eher leerlauf ist.

zu ihrer zeit war die gruppe 47 der aufbruch gegen das selbstgefällige christentum der adenauer-zeit. bei der einige dieser christen kurz zuvor noch antichristen waren. eigentlich war es nur selbstgefällig, und das christentum, speziell die rheinisch-katholische variante war eher surrogat als überzeugung. von daher wirkte die gruppe 47 auf die, die erst davongekommen waren und dann wieder auf der welle des erfolgs schwammen, durchaus unsympathisch. die reaktion des establishments, damals nannten sie sich gutbürgerliche kreise, war durchaus missvergnügt. ein bundeskanzler verglich diese protestierenden oder protestanten mit kleinen pinschern. lästigen kläffern eben, denen zuweilen auch ein übler geruch anhaften mag.

das mit dem sedativum kam, wenn überhaupt, dann später. jedenfalls war es nicht die aufassung dieser autoren, zarte deckchen zur schonung der innenaustattung der macht herstellen zu müssen. dass jemand, der erfolgreich etwas ändert, im falle des erfolges auf einmal selbst als etablierter wahrgenommen wird, lässt sich am allerdeutlichsten an der person des aussenminister a.d. fischer festmachen. nur darf man ihn nicht als einzellfall missverstehen, sondern muss ihn als archetypus für eine ganze generation wahrnehmen.

„Günter Grass, sage ich, und ich werde recht behalten, wird in wenigen Jahren nicht mehr Bedeutung beigemessen werden als Wilhelm Raabe, der zu Lebzeiten auch mehr Ehrungen abgefangen, als Georg Büchner Bücher geschrieben hat. “

es muss nicht unbedingt gegen raabe sprechen, dass er nur noch einem kleinen publikum bekannt ist. eigentlich wäre er durchaus modern, übrigens der erste deutsche dichter, der die umwelt bzw,. ihre verschmutzung zum gegenstand eines seinr romane machte. seine helden haben gern einen bruch in der biografie, ganz anders als die strebertypen eines freytag, der zu seiner zeit nicht nur prämiiert sondern gelesen wurde. dass er grass günter inzwischen in die fliessenden grenzen der selbtsüberschätzung entschwoben ist, nun, er ist kein voltaire, und er hat wohl niemand, der ihm das sagt. andererseits, allein in seinem butt, was da an ideen steckt, damit könnten andere ihr lebenswerk bestreiten.

„Weil die Republik alt ist, fällt einem dann ein. Uralt. Mit Krampfadern an den Beinen und künstlichen Zähnen. Weil die deutsche Gegenwart ein Kontinuum darstellt seit den Sechziger Jahren, ein Luftanhalten der Geschichte, die fetten Jahre mit schlechten Büchern dazu.“

So alt ist die republik gar nicht, leute in ihrem alter sind noch ziemlich aktiv. dass die deutsche gegenwart sich mit der vereinigung geändert hat, hätte durchaus wahrgenommen werden können. dass in den alten bundesländern noch immer davon ausgegangen wird, man befinde sich in der rheinischen republik, dafür kann man dem staat selber keine schuld geben, menschen irren sich, menschen ist deshalb der irrtum anzurechnen. stellvertretend für sie vielleicht der altbundespräsident rau, der bei manchen noch immer als guter politiker gilt. von daher handelt es sich nicht um politikversagen oder literaturversagen sondern um das versagen einer ganzen generation, nein, zu weit, um das versagen der politischen klasse deutschlands und weiter auch des juste milieu oder bürgertums, das diese klasse unterstützt.

„…dann wird mit dieser Welt eines muffigen, misslaunigen, uneleganten Stillstandes auch die Literatur dieer Jahre beiseitegelegt, und so, wie die bärtigen Dichter der Kaiserzeit vergessen sind, und keiner kennt mehr ihre Namen, so werden auch die Dichter dieses juste milieu einmal vergessen sein zugunsten derer, in deren Werk der Untergang dieser Welt aus Bausparkassen und Steinkühlerpausen, Vertriebenenverbänden und der IG Metall leise in böser, blutiger Eleganz seine Kreise zieht, und die Bausteine dieser Welt im Fallen bizarre Schatten an die Wand werfen, filigran und verschlungen wie das, auf das wir warten.“

der untergang des juste milieu zieht leise in böser blutiger eleganz seine kreise… das glaube ich, mit verlaub, nicht. oh ja, es wird zu einer umschichtung kommen, das wird für viele böse und für manche auch blutig sein. sicher nicht leise und elegant, sondern ziemlich laut und zemlich hässlich. und es wird einige geben, die es bedauern werden, nicht mehr in der welt der bausparkassen und steinkühlerpausen und der ig metall zu leben. denn diejenigen, die noch in dieser welt leben werden die verlierer sein.

ein juste milieu wird es dann immer noch geben, und ich denke, die werden dann ihren luxus umso mehr geniessen, weil die armut der anderen dazu einen scharfen kontrast bilden wird. diese armen werden vielleicht recht duldsam sein, weil die grosse alternative fehlt. aber nicht für alle. ich denke, der ort pretzien, in der gegend von magdeburg, wo neue alte nazis unter beisein und billigung des sed-bürgermeisters und der sog. dorfgemeinschaft ihre sonnwendfeier einschliesslich fahnen- und bücherverbrennung abgehalten haben, dürfte einer der schatten an der wand sein, die zeigen, was uns in zukunft erwarten kann.