chere madame modeste,

„Und die Bonner Republik mag ihre Vorteile gehabt haben, aber das Behäbige, das Fette, die dummschlaue Selbstzufriedenheit – es ist gut, dass es vorbei ist mit dieser Welt.“

da gebe ich ihnen wiederum recht, aber auch zu bedenken, dass das, was danach kommt, nicht besser sein muss.

eigentlich müsste jetzt ihr einwand kommen, aber genau das ist es, das literatur hervorbringt! ja glauben sie denn, herr auch-einer, zola hätte zwanzig bände über die familie rougon-maquard geschrieben, wenn er im zweiten kaiserreich so dagestanden wäre, wie der grass günter heutzutage?

mal angenommen, herr auch-einer, dickens hätte eine jugend verbracht, wie sie heute ein gewöhnliches kind eines gewöhnlichen arbeitslosen verbringt, ja, der hätte doch niemals den david copperfield auf der grundlage schreiben können, dass er als einziger seiner grundschulklasse kein händi hatte *). kommt speziell bei dickens noch der punkt dazu, dass, wenn er glücklich verheiratet gewesen wäre, der weltliteratur einige gut gelungene frauengestalten fehlen würden, ich sage nur lizzie hexam.

chere madame modeste, wie gesagt, die polarisierung der gesellschaft als mittel der förderung der belletristik, das habe ich bisher so nicht gesehen.

*) wobei wir andererseits gespannt sein dürfen, was in einigen jahren seitens der heute klein- und später einfach kriminellen zwischen buchdeckel gepresst herauskommen wird. genau, vom händiklauer und jackenabzieher zum schläger und treter (die auftragsschläger und -killer hiessen früher bravos, das hörte sich doch auch viel besser an) und von da zum dopepusher und zuhälter, also an kolorit wird es nicht fehlen. gab es alles schon mal, ein gewisser burkhard driest ist eine ganze zeit auf der welle gesegelt, ein herr sobotta verfasste einen minus-mann, der von einem rührigen verleger stark gepusht wurde, sehr zum missvergnügen eines herrn wallraff, der sich vom gleichen verleger unzureichend gefördert fühlte. aber das nur am rand.

richtig ist, dass nichts über eine gute geschichte geht. aber da fällt mir im augenblick nicht ein, wen ich da als guten geschichtenerzähler vorweisen könnte, nachdem hier auch schon hesse abgelehnt wurde (ist im falle hesse nicht allzu schwierig, es ist da auch etwas viel mache dabei, obwohl, andererseits, die entwicklung von unterm rad bis zum glasperlenspiel, schon erstaunlich und der peter camenzind ist so schlecht erfunden nicht).

kommt eine weitere abschweifung, bitte, wer bis hier schon widerwillig gelesen hat, der braucht nicht, aber trotzdem mache ich weiter und versuche, eine gute geschichte zu empfehlen:

zola habe ich genannt, nicht frei vom moralisieren aber, auch gute beschreibungen. hugo, als mann beachtlich, als autor nicht ohne moralinsaure ab- und ausschweifungen, trotzdem zu empfehlen. dickens, siehe hugo, nicht uninteressant aber doch auch sehr langatmig. vielleicht gibt arno schmidt was her, der mit seinen nachtprogrammen immer. genau:

spindler, carl: die schwertbergers
wurde 1982 vom faude-verlag konstanz nachgedruckt, das hier scheint der nachfolger dieses so lobenswerten verlags zu sein: http://www.libelle.ch/index.html, ruhig mal reinschauen.

oppermann, heinrich albert: hundert jahre
gibts bei gutenberg.de hier: http://gutenberg.spiegel.de/opperman/100jahre/100jahre.htm
was für ein werk. bei gutenberg.de gibts noch mehr, ruhig mal reinschauen.

jetzt habe ich schon zwei schmöker empfohlen, genau, alles wartet weiter auf den geheimtip. gibt hier keinen. oder mal was ganz anderes, warum keine krimis? berndorf mit denen aus der eifel fallen mir da eben ein.
und bei libelle der ulrich ritzel, die krimis kenne ich selber noch nicht, aber der autor war wirklich mal in der oberschwäbischen provinz lokalredakteur, also das pralle menschenleben müsste er schon kennen, so das behäbig-fette-selbstzufriedene, das sich gern tarnt, aber das ganze jogging nutzt nichts.