Liebe Modeste…

… so gerne ich Ihre Beiträge lese und so hoch ich Ihre sprachlichen und lebensanschaulichen Qualitäten schätze, dieser Beitrag scheint mir doch eher in einem tiefen Frustgefühl denn in einer sinnhaften Vernunfterkenntnis zu wurzeln.
Die Schule dergestalt in Bausch und Bogen abzuurteilen ist weit unter Ihrem Niveau. Hier mal ein paar Argumente für die Lehranstalt:

(1) Man trifft Menschen, die man sonst nicht kennengelernt hätte. Dass man, wie sie richtig sagen, mit 2/3 von jenen nicht unbedingt die Freizeit teilen würde wird durch das verbliebene Drittel oft mehr als gutgemacht. Hier findet in der Tat eine (mit fortschreitender Dauer der Schulzeit abnehmende) Durchmischung sozialer und kultureller Schichten statt, die man i.d.R. sonst nicht erfährt, denn erfahrungsgemäß neigt „der Mensch“ dazu, sich vorwiegend in seinem vertrauten Kulturkreis zu bewegen. Bestes Beispiel hierfür sind Rheinländer und Ostwestfalen.

(2) Inspiration, Geistesfunken, Anstöße! Auch wenn Sie von Naturwissenschaften nichts mitgenommen haben – jemand anderes hat vielleicht seine Liebe zur Astronomie in der Schule entdeckt – nicht unbedingt im Unterricht selbst, aber vielleicht im Gespräch mit einem Mitschüler über diese Inhalte. Auch das Feststellen einer Anipathie gegen bestimmte Inhalte (wie etwa Physik oder Erdkunde) gehört zum Prozess der Menschwerdung. Schliff durch Reibung.

(3) Regelmäßigkeit der Konfrontation. Auch wenn in Ihrem Elternhaus und in Ihrem Freundeskreis sicherlich oft und gerne über die geisteswissenschaftlichen Herausforderungen und kulturellen Bereicherungen des Lebens debattiert wurde, so ist dies sicherlich nicht für jeden Ihrer Mitbürger zu unterstellen. Damit sich aber der Kreis derer, die am Hohelied des Lebens teilhaben können nicht allzusehr verengt ist es (und sei es auch nur im Rahmen der o.e. Impulse) niemals von Nachteil, sich immer wieder geführt mit Dingen wie „Religion“, „Philosophie“, Sprachen oder „Musik“ auseinanderzusetzen. Dass die Lehrpläne in den musischen Fächern durchaus wieder verbesserungsbedürftig sind stellt nicht das System an sich in Frage.

Die meisten Lehrer als dumm und unsicher hinzustellen wird von vielen zu Recht gewiß als eine ungerechtfertigte Beleidigung aufgefasst werden. Mir selbst fehlt zwar die praktische Erfahrung vor der Klasse, jedoch weiß ich von vielen Bekannten, die im Schuldienst tätig sind, wie sehr sie sich um einen affektiven und lebendigen Unterricht bemühen und wie viel Feedback sie bekommen wenn es ihnen gelingt. Gerade in den von Ihnen geschätzten Disziplinen hat der Lehrkörper einen sehr großen Gestaltungsfreiraum.

Ich wage die Behauptung, dass es Ihr Blog ohne die Schule nicht gäbe, denn Sie bedienen sich einerseits der durch naturwissenschaftliche Forschung erreichten Mittel zur Veröffentlichung Ihrer Gedanken und andererseits der (so möchte ich unterstellen) weitgehend gebildeten Leserschaft als Publikum. Ob alle diese Leser ihren Bildungsstand auch ohne die Schule als propädeutische Institution erreicht hätten lasse ich mal dahingestellt.

Insoweit also gilt frei nach den alten Römern: In scholam per vitam discimus.