Meine Dame,

vor fünf Jahren, ich war etwa so alt wie Sie, und mein Sein kreiste um das mühsame Halten der Kleidergröße 38, bekam ich aus heiterem Himmel die Diagnose MS. Seit etwa vier Jahren spritze ich mir jeden Tag eine Prophylaxe und habe in etwa 15 Kilo zugenommen, in Folge von Unglück, Nebenwirkungen und angstvoller Erstarrung. Und ich schwöre Ihnen: Ich bedaure unter allen Aspekten jeden Tag, den ich mit meinem tadellosen Körper haderte, weil ich mir einbildete, tonnenschweren Ballst auf meinen Hüftknochen zu tragen.

Als ich neulich bei meiner Neurologin über die Gewichtszunahme jammerte, fragte sie mich:“Wollen Sie schlank sein oder gesund?“ Ich hoffe für Sie, dass Sie diese Wahl nicht treffen müssen. Seien Sie außerdem versichert, selbst Männer sind nicht so saublöd, dass die dürre Kollegin ausschliesslich deshalb die Symphathiern für sich verbucht. Und glauben Sie mir, das Gefühl zu dick zu sein ist völlig unabhängig vom eigentlichen Gewicht. Gehen Sie raus, flirten Sie, springen Sie, vögeln Sie herum und vermiesen sich nicht alles durch diesen Quatsch. Oder gehen Sie zu den Weight Watchers und nehmen 10 Kilo ab, dann ist ja erst mal Ruhe. So, entschuldigen Sie das Tantenhafte. Es nützt eh nix, dass weiss ich noch. Aber ich konnte gerade nicht anders. Ihnen zugewandt,

Montez