In der heutigen Zeitung war ein lesenswerter Beitrag von Nicole Krauss zur Lage des Buchhandels und zum Verschwinden des stationären Buchhandels. Tenor: wenn alles im Netz verfügbar ist, dann ist alles bedeutungslos. Man drehe sich im Kreis wie die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Es würde einem immer nur das gezeigt, was man schon kennt. Es fehle der Überraschungseffekt des Buchregals, in dem man auch Sachen findet, die man nicht gesucht hat. Ich kann diesen Standpunkt gut nachvollziehen. Ich verfluche in toto die DDR-Vergangenheit. Es war eine verkommene spießbürgerliche Welt mit vielen Unerfreulichkeiten. Aber eine Sache vermisse ich paradoxerweise doch: die Bücherjagd. Es war ja so, daß es immer nur ein beschränktes Angebot gab und gerade gute Titel eine niedrige Auflage hatten. Es kostete halt Westgeld oder war ideologisch unerwünscht. Daraus ergab sich aber das Erfolgserlebnis erfolgreicher Jagd und des zugehörigen Adrenalinschubs: Ich hab’s gekriegt! Das wirkte natürlich auch auf die Rezeption und vor allem bewirkte es eine Verlagsbindung, eine Reihenbindung, die es heute kaum noch gibt. Man konnte sich darauf verlassen, auch wenn es ein unbekannter Autor war, daß ein bestimmtes Niveau gehalten wurde. Die Reihen bei Volk & Welt zum Beispiel, ex libris und Spektrum, waren sichere Banken. Keine Bestseller im herkömmlichen Sinne. Ich hätte von Haus aus niemals Andrej Platonow, Alberto Moravia, Cees Nooteboom oder Junichiro Tanizaki gekauft, wenn nicht in den gleichen Reihen Musil, Gide, Hildesheimer und Vian erschienen wären. Die Expertise des Verlags war mir Garantie für gute Qualität. Man mußte die Dinger bloß noch erwischen, deshalb war täglicher Gang in die Buchhandlung Pflicht. Dafür sind Buchhandlungen eigentlich unverzichtbar. Leider gibt es nur noch wenige Buchhandlungen, dafür viele Schnelldreher-Verteilzentralen.