Ja, was tut man in solch‘ trostlosen Gegenden. Ich bin so aufgewachsen. Tiefste DDR auf dem Lande: Nur ein winziges Kino, in dem selten gute Filme liefen. Der Wald direkt hinterm Hof, die Ostsee fünf Minuten entfernt. Kein Fernseher, kein Telefon. Das Wort „shoppen“ völlig unbekannt. Die Läden leer. Schon der Kauf einer simplen Unterhose, einer Apfelsine oder einer Nähnadel eine riesige Herausforderung. Das Essen in Restaurants ungenießbar. Und da war er auch, der Druck von außen, den habe ich schon als Kind ganz deutlich gespürt. „Nicht studieren dürfen“ hing immer als Drohung über meinem Haupt. Auslandreisen fast gar nicht möglich.
Ja, verdammt, was haben wir damals nur getan? Nun gut, ich war noch Kind. Aber was taten meine Eltern in Ihrer Freizeit?
Ich erinnere mich an das Lesen unzähliger Bücher, an unsere Töpferwerkstatt im Keller, lange Spaziergänge und Radtouren mit unserem Hund. Den Duft des Waldes nach einem Regen. Die aufsteigenden Nebel auf den Wiesen. Nackt baden im Meer zu fast jeder Jahres- und Tageszeit. Das Basteln in der Vorweihnachts- und Osterzeit, das Bestellen von Beeten, das Ernten und Vearbeiten von Wildfrüchten oder Gartenfrüchten. Lange Spiele- oder Vorleseabende. Lustige Runden von Freunden bei Kerzenschein. Meine Eltern beim Tanz im Dorf mit einer Live Combo. Und immer mit dem Fahrrad unterwegs. Und doch auch in diesem winzigen Kino Filme gesehen. Den betrunkenen Filmvorführer immer wieder durch Rufe und Pfiffe geweckt, damit er das Bild scharf stellt oder die nächte Rolle einlegt.
Urlaube im Harz, im Vogtland, an der Müritzer Seenplatte und auch mal in der Tschechei. Urlaube voller Wanderungen. Baden in Quellwasser. Abende am Lagerfeuer. Gitarre.
Alles ein wenig „amish“ vielleicht, aber ohne Gott und mit gleichberechtigten Frauen.