Oh, das erlebe ich aber ganz anders. Mir begegnet hier jede Menge Freundlichkeit! Manchmal spiele ich absichtlich Touristin und erlebe sehr nette Reaktionen. Ich kann nicht klagen. Am Hackeschen Markt sitzen vor der Sparkassenfiliale immer abwechselnd zwei drei Schnorrer im altbackenen Punkerkostüm, zwei sind besonders nett und stehen auf wenn ich komme, um mir die Tür aufzuhalten, nett Guten Tag zu sagen und wenn ich gehe das gleiche Spielchen. Ich hab ihnen noch nie was gegeben, ich sage auch immer, dass ich kein Geld hole, nur gucke wieviel drauf ist auf dem Konto. Daraufhin beteuern die Jungs: aber das macht doch nichts! Trotzdem noch einen schönen Tag! Das ist so nett. Das Ritual ist so ähnlich wie von den Portiers im Adlon. Die machen auch immer diese schönen Verbeugungen. Auch wurde mir in diesem Jahr bereits dreimal ein Platz in der S-Bahn angeboten, ja aufgedrängt, von eher jugendlichen Männern, die eigentlich nicht nach guter Kinderstube ausgesehen haben. Halt – doch, einer war dabei, ein Franzose allerdings, der wirkte sehr wohlerzogen und erklärte noch auf meine Reaktion „oh! das ist aber freundlich, das erlebt man selten!“ „es wär nisch öflisch, ah?“ Ich bin jetzt ja auch schon älter, aber nicht gebrechlich, deswegen glaube ich immer noch an das Gute, das man vorneweg selber mitbringen muss. Man kann das glaube ich schon auch provozieren, dass das Miteinander ein bißchen charmanter wird. Man fängt selber an und glaubt fest an den Domino-Effekt. Der wirkt immer, ganz bestimmt. Wie sagt unser bunter Modezar Harald Glöckler so schön: das Geheimnis ist: wer viel gibt, bekommt viel.

Und ja freilich: die Amerikaner haben das in der Kinderstube vermittelt bekommen, dass diese kleinen Alltagsfreundlichkeiten alles für alle leichter und schöner machen. Das ist amerikanisches Kulturgut. Habe ich jedenfalls allenthalben wahrgenommen. Besondere Freundlichkeiten sind der Standard, an den man sich traditionell hält. Ich finde das auch sehr schön. Bei uns muss man halt oft den Amerikaner oder die Amerikanerin geben und selber anfangen.