Der Aufwand, den man für Erfolg treiben muss, ist auch eine Frage des Lebensalters und was man für Erfolg ansieht. Ich habe nie zwischen Arbeit und Freizeit unterschieden, daher war es egal, wie viel ich gearbeitet habe. (Manchmal pflege ich zu sagen, dass ich 95% meiner Arbeit auch für null Gehalt gemacht hätte, falls mich jemand finanziell unterstützt hätte.)
Mit 30 habe ich ungefähr 80 Stunden in der Woche gearbeitet. Ganz freiwillig. Damals entwickelte ich ein medizinisches Messgerät und war beseelt von dem Gedanken, dass das ein „gute“ Arbeit war.
Später arbeitete ich nicht mehr ganz so viel. Ich war im Verkauf und da konnte ich schon zwischen Arbeit und Freizeit trennen. Ich musste viel Geld verdienen, damit ich Frau und drei Kinder erhalten konnte.
Heute bin ich in Altersteilzeit und arbeite aber noch immer mindestens 50 Stunden. Nur dass ich die jetzt vollkommen mit freier Einteilung und nach meinen Wünschen einsetze.
Vor 12 Jahren habe ich nicht verstanden, als ein sehr tüchtiger Mitarbeiter nicht zu einem Gruppenleiter gemacht werden wollte. Er hat die Karriere zugunsten einer Vereinbarung mit seiner Frau eingeschränkt. Beide wollten sie nicht mehr als je 32 Stunden arbeiten. Damals habe ich das nicht verstanden.
Heute sehe ich das anders. Zwar arbeitet mein Sohn voll, doch nicht mehr als das. Den Rest verbringt er zu Hause bei seinen drei Kindern und seiner Frau. Er scheint glücklich zu sein. Er könnte ebenfalls in der Firma „Karriere“ machen, hat aber ganz bewusst verzichtet.
Seit neuem habe ich eine Mitarbeiterin, die auf Bedarf Vollzeit arbeitet. Sie hat drei Kinder, einen ganz netten Mann, der ein Handwerk mit drei Mitarbeitern führt, und sie studiert jetzt mit 39 Jahren Informatik. Eigentlich wollte sie das schon früher, aber es war keine Zeit. Sie wirkt absolut nicht überlastet. Ich fördere sie, wo es geht, nicht weil sie attraktiv ist, sondern weil sie auch sehr klug ist und rasch kapiert.
Eine andere Frau, ebenfalls attraktiv und mit drei Söhnen, Dr. nebenbei, sie selbst ist um die 50, führt ein Unternehmen und es ist ein Vergnügen mit ihr zu plaudern. (Ich bin ein Kunde von ihr.)
Es ist also in meinen Augen schwierig, ein allgemeines Zeitmaß festzulegen.
Ihren letzten drei Absätzen ihres Postings kann ich voll zustimmen, möchte noch einen Punkt über die Anwesenheitskultur hinzufügen. (Österreich)
Bei einer mir übertragenen Aufgabe, unsere Software-Entwickler mit einem neuen Prozess zu besserer Produktivität zu motivieren, scheiterte bei der ersten Besprechung an folgender Frage:
Wofür werden Software-Entwickler bezahlt?

Eine ziemlich einfache Frage, wie mir schien. Ich wollte hören, für das Produkt, das entwickelt wird, oder so ähnlich. Dann hätte ich mit Produktivitätssteigerung weiter machen können. Ein sehr, sehr guter Entwickler, mit dem ich später noch viel zusammen gearbeitet habe, sagte provokant: wir werden dafür bezahlt, dass wir in der Firma sitzen und arbeiten. (Egal wie gut oder schlecht die Arbeit war.) Anfänglich dachte ich noch, dass es auszudiskutieren wäre, aber nach einer Stunde brach ich das Meeting ab. (Später legte ich mir dann noch eine andere Strategie zurecht.)
Als ich einer Bekannten aus dem Personalmanagement – und viel später noch meinem derzeitigen Chef – den Verlauf der Diskussion schilderte, wurde ich belehrt: es stimmt, die Arbeitsverträge sind alle auf Zeit und Anwesenheit ausgelegt. Natürlich kann mein Chef jemand kündigen, wenn er schlecht arbeitet. In der Versicherung allerdings, in der ich damals gearbeitet habe, waren noch viele Mitarbeiter pragmatisiert. („absolut“) Praktisch so wie die Beamten.
Die Personalfrau sagte mir auch, dass sie vom PM unglücklich mit dieser Regelung seien, aber Anstrengungen liefen, dies zu ändern.
In internationalen Konzernen (z.B. IBM) wird nicht nur „home office“ gefördert, oft teilen sich auch mehrere Verkaufsmitarbeiter einen Schreibtisch gemeinsam. Man kann natürlich jetzt argumentieren, dass eine Beurteilung nach reinen Verkaufszahlen oder Akkordrichtlinien den Angestellten wieder auf das Stück Arbeiter reduziert, der pro Schraube bezahlt wird.
Aber zur Anwesenheitskultur wollte ich das noch ergänzt wissen.