Ich finde den Artikel von Julia Friedrichs sehr aufschlussreich und glaubwürdig. Hat Sie dieser Absatz besonders geärgert?

„Für echte Aufstiegschancen der armen Jungen und Mädchen aber kämpft niemand. Vielleicht, so denke ich manchmal, belügen sich vor allem die Menschen der Mittelschicht selbst. Haben sie wirklich ein Interesse daran, dass die armen Kinder mitmischen beim ohnehin angespannten Wettkampf um Karrierechancen? Oder sind viele Eltern insgeheim froh darüber, dass ein Fünftel der Konkurrenz bereits in der Schule abgehängt ist? “

Das ist natürlich sehr provokant und auch ein bisschen gemein, aber ich glaube, dass die gut situierte Mittelschicht (und Oberschicht sowieso) in unserem Land tatsächlich einen Vorteil davon hat, dass es auch „die anderen“ gibt, die die schlechteren Schulen besuchen, kein Abitur machen, nicht studieren werden, später nicht die gut bezahlten Jobs bekommen, und die Armen, die jeden Minijob machen müssen, die Klos putzen, die Drecksarbeit machen oder am sozialen Tropf des Amts hängen, weil sie aufgegeben haben.

An die Verantwortung der Eltern von armen und unterpriviligegierten Kindern in unserem Land zu apellieren ist natürlich moralisch gerechtfertigt, halte ich aber für naiv, wenn man doch gerade in dem Artikel erfährt, dass Ungebildet sein, mangelhafte Sprachentwicklung, Konsum- und Ernährungsgewohnheiten seit Generationen fortbestehen und von Generation zu Generation weiter gegeben werden.

Für unsere Wirtschaft sind schlecht ernährte, ungebildete und sozial abgehängte Erwachsene kein Problem, es sei denn sie sucht mal wieder gut ausgebildete Facharbeiter. Dafür wird dann Geld in Ausbildungsinitiativen locker gemacht, aber in Kitas, gut ausgestattete staatliche Schulen, Schulkantinen mit biologischem Essen, Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung, kostenlose Ferienprogramme wird immer noch viel zu wenig investiert, weil die Lobby fehlt.