Ich lese in diesem ganzen Text von Frau Friedrichs ausschließlich Vorwürfe an die Politik, die angeblich zu wenig Geld für arme Kinder ausgibt. Ich würde auch mehr in Bildungseinrichtungen investieren und mehr Möglichkeiten schaffen, von guten Ganztagsschulen bis zu Feriencamps und einer guten Vereinsarbeit. Ich finde das auch wichtiger als Steuersenkungen oder eine schwarze Null. Ich glaube aber nicht, dass die Hauptursache für tradierte Armut in zu wenig Geldflüssen liegt. Wenn Kinder in der Schule versagen, weil man zu wenig mit ihnen spricht, finde ich das skandalös. Die Eltern, die offenbar zu wenig sprechen und zu wenig kochen, zu wenig spazieren gehen, zu wenig Interesse zeigen, sehe ich nicht (nur) als arme Opfer der Gesellschaft, sondern als schlechte Eltern. Wir schulden unseren Kindern alle alles Glück der Erde, und sie haben auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht geliefert. Ich habe das Gefühl, dass man die Verschlechterung der Chancen dieser Kinder hinnimmt, um nur den Eltern Vorwürfe zu ersparen.

Was das Mindset angeht, so registriere ich, dass es schwierig sein kann, von Verhaltensweisen abzugehen, die einem vertraut sind. Aber wenn ich erfahre, dass es gut für Kinder ist, vorzulesen: Muss ich dann nicht anders agieren als meine Eltern? Und wenn ich erfahre, dass mein Kind Übergewicht hat: Muss ich dann nicht kochen?

Was die Ebene der persönlichen Anekdoten angeht, fällt mir auch eine eindrucksvolle Geschichte ein: Mein Großvater, 1910 geboren, erzählte einmal von seiner Großmutter, einer sehr einfachen Frau. Sie war sehr fromm, lebte sehr zurückgezogen. Nun war ihr ältester Sohn sehr begabt und wollte einen Beruf ergreifen, der aus verschiedenen historischen Gründen eine Konversion voraussetzte. Seine Großmutter weinte wochenlang. Dann ließ sie sich taufen. Sie zitterte bis an ihr Lebensende vor der Rache Gottes. Sie starb in Angst. Sie hat ihren Sohn ihrem Gott vorgezogen.