Meiner Erafahrung nach ist vielen Mittelschichteltern das Hemd näher als der Rock – die kümmern sich massiv um die eigenen Kinder; benachteiligte Kinder zu fördern, dafür bleibt keine Zeit und keine Energie mehr. Politisches Engagement dient auch dem Fortkommen der eigenen Gruppe, aber politisch engagiert ist kaum jemand aus dem Pool der Mittelschichteltern, die ich kenne. Ehrenämter spielen sich bei Müttern innerhalb der eigenen Schicht, Väter haben dafür keine Zeit oder machen „irgendwas mit Sport“.
Die „Unterschicht“ kommt im Denken der Mittelschichteltern, die ich kenne, weitgehend nicht vor – wenn ja, als Problem. Man muss verhindern, dass die eigenen Kinder von „Hauptschülern“ angepöbelt werden, man muss sehen, dass die Kinder nicht „die falschen Freunde“ haben, wobei mitschwingt, dass das nicht der violinspielende Fritz-Korbinian sein kann, dessen Eltern den selben Habitus haben wie sie selbst. Und ja, für diese Eltern spielt Konkurrenzkampf und Leistung eine enorme Rolle – ich bin mir sicher, dass sie kein Interesse daran haben, für Laurin oder Lea oder Laura-Zoe meir Konkurrenz zu generieren.
Dazu kommt noch, dass immer noch in den Köpfen sitzt, dass es zwei Arten von Armen gibt – würdige und unwürdige. Die würdigen, die edlen und guten, denen kann man vielleicht noch helfen. Das sind z. B. die „Flüchtlinge“, die ja anfangs prinzipiell als „hochgebildet“ dargestellt wurden. Die unwürdigen, dass sind die Hartz-4-Muttis, die ihren Kindern Popcorn zum Frühstück geben, und die sicher alle zu faul und zu blöd sind, um was aus sich und ihren Kindern zu machen. An die wäre Hilfe verschwendet.