Wenn man jetzt mal davon ausginge, dass Sie recht haben: Wie kann man denn die Eltern zu mehr Verantwortung bringen? Dass die entsprechenden Eltern sich nicht um die Kinder sorgen, setzen Sie ja nicht voraus. Also scheint informieren allein nicht zu helfen. Und ich glaube, genau deswegen soll der Staat sich mehr einsetzen. Mehr Kindergeld ist da sicher nicht die einzige Schraube, aber wenn das Essen schon einmal gesichert ist, kann man auch mal einen Gedanken an andere Dinge verschwenden.

Wenn aber die Eltern keine Idee haben, was ihren Kindern wirklich hilft, dann ist es doch gut, wenn der Staat, wo er kann, eingreift und für JEDES Kind die Möglichkeit schafft, Musik zu machen, ins Museum zu gehen oder eben Fußball zu spielen oder was auch immer. Das fände ich eine gute Idee. Dafür würde ich auch gern Geld ausgeben. Dann können alle Kinder ganz frei entscheiden, was sie gern machen möchten und dann bei ihren Eltern nachforschen, ob die das unterstützen können und wollen. Und diese Eltern könnten dann schauen, wo es Unterstützung für die Wünsche der Kinder gibt – da hilft dann Information.

Mir kommt es nämlich so vor: Die Kinder sehen in ihrer Peergroup, z.B. dass viele einen eigenen Fernseher haben und möchten auch einen. Die Eltern mühen sich ab, damit das Kind seinen Wunsch erfüllt bekommt und dann mit den anderen Kindern übers Fernsehen reden kann.

Wissen Sie, meine Eltern haben sich sehr bemüht und waren mit mir im Museum und im Theater und ich kann ein Instrument spielen und so weiter. Aber ich war wahnsinnig unbeliebt, weil unsportlich und zu schlau. Das hätte ich gern gegen einen Fernseher im Kinderzimmer und Freunde getauscht.

Heute bin ich das, was man wohl erfolgreich nennt. Aber meinen Job mache ich nicht, weil ich ihn mag, sondern weil ich ihn kann und dafür Geld bezahlt wird. Fürs Musizieren und Meerschweine streicheln gibt es leider nicht genug Geld um als erfolgreich durchzugehen – Ausnahmen mal nicht beachtet. Bestimmt hätte ich meinen Eltern einen Vorwurf gemacht, wenn ich kein Abitur gemacht hätte und so weiter, aber da sind Eltern chancenlos. Vorwürfe gibt es immer.

Ich finde es etwas unfair, zu behaupten, dass Kinder unglücklich werden, weil die Eltern ihnen nicht abends vorlesen und mit ihnen ins Theater gehen. Sind denn alle mit Bildungsbürgerhintergrund in der Lage, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen? Oder sind alle, die das können, glücklich?

Ich finde, wir sollten uns von dem eng gefassten „Ich kann nur glücklich werden, wenn ich gebildet bin und einen Sack voll Geld verdiene“ verabschieden und mal sehen, was wirklich wichtig ist im Leben.

Und ganz am Rande: Was ist denn an einem Cello nicht auszuhalten? Das finde ich ganz schön gemein dem F. gegenüber, dass er seine Träume da nicht durchsetzen kann. Vielleicht wäre er ein begnadeter Cellist geworden und noch dazu glücklich und nun muss er Klavier spielen… Ich finde Blockflöte nicht auszuhalten, auch nicht, wenn man arm ist. Da würde ich meinen Sohn lieber in den Sport schicken…

Übrigens gibt es hier und da Förderprogramme für Musikunterricht, sonst hätte ich nie ein Instrument lernen können. Das Instrument und der Lehrer wurde von der Stadt bezahlt, wenn man irgendwelche Formulare ausfüllt. Aber wenn die Eltern Probleme haben, selber zu lesen, sind solche Dokumente oft auch ein Buch mit sieben Siegeln.