Also zunächst war mein erster Impuls beim Lesen das Artikels völlig anders als bei dir, nämlich zustimmendes Nicken. Und doch denke ich, dass du insofern recht hast, dass die Eltern nicht aus der Verantwortung genommen werden können. Beides auch aus meiner eigenen Geschichte heraus. Wir, also mein Exmann und ich haben beide auf dem zweiten Bildungsweg studiert und eben innerhalb dieser Zeit unsere Kinder bekommen. Geboren sind die beiden 1988 und 1993, also jetzt erwachsen. Aber ich kam selbst schon aus so einem Haushalt in dem meine Eltern ahnten, dass Bildung sehr wichtig ist. Und uns also das eine oder andere ermöglichten, wie Bücher, Musikinstrument etc. Das hat unter anderem heute die Nebenwirkung, dass meine Mutter sehr beleidigt darüber ist, dass ich immer so „hochgestochenens“ Zeug lese oder anders konsumiere. Dieser Angst, dass die Kinder sich zuweit entfernen gilt es ebenfalls zu begegnen. Bei der alleinerziehenden Mutter meines Partners gab es schlicht kein Buch und keine Unterhaltung, die über Fernsehen hinaus ging. Und daher war es für meinen Partner, der sich für seine Kinder Arme und Beine ausriss, unendlich viel schwerer, vorzulesen und überhaupt einen entsprechenden Mangel zu empfinden. Museumsbesuche sind für ihn bis heute eher rausgeschmissenes Geld, auch wenn er mitnichten die Kultur schlecht redet. Wir haben ewig lange an der Armut knapp vorbeigelebt, wollten aber den Kindern alles ermöglichen, was gut für sie ist. Also gab es Cello beim Sohn und Eishockey bei der Tochter. Und einen Auslandsaufenthalt für beide (jeweils ein knappes Jahresgehalt von mir). Und das hat so unendlich viel Kraft und Energie gekostet. Und ja, wir hätten auch mit Blockflöte und Turnverein erziehen können. Das hatte jedoch Gründe, die hier zu weit führen. Aber etwas mehr Geld hätte unglaublich viel Entspannung in unseren Alltag bringen können. Und es wäre soviel leichter gewesen, wäre das eine oder andere (stärker) bezuschusst worden. Geld in Museen (Museumspädagogik!) oder Sportvereine oder Musikschulen zu stecken wäre wirklich eine Hilfe, für die, die das in Anspuch nehmen möchten. Und ohne, dass ich jetzt eine Idee hätte, wie es funktionieren könnte, glaube ich, dass man (der Staat, die Politik??) Eltern Spass vermitteln sollte an den vielen Dingen, die auch toll für ihre Kinder sind. Das funktioniert m.E. nicht über „das Beste wollen“, sondern auch gemeinsam Freude an schönen Dingen empfinden. Wenn man sich z.B. die erschwinglichen Bilderbücher in Kaufhäusern anschaut ist das sehr gruselig. Aber woher soll ich als Mutter oder Vater wissen, dass dort ganze Welten zu entdecken sind? Dafür gilt es wirklich Geld für Angebote in die Hand zu nehmen. Und jedes Kind, welches mehr möchte zu unterstützen mit Bibliothekskarten und dergleichen.
Auch wenn man damit sicher nicht alle erreichen kann, ist die Antwort leider doch häufig Geld. Ich erinnere mich sehr gut an meine Verzweiflung, weil die benötigte Brille zu teuer, der Sport nur mit Almosen anderer Eltern machbar und die Klassenreise auch nur mit Hilfe anderer zu machen war. Und alleine diese Schmach ständig auszuhalten ist nicht leicht. Wenn man dann noch andere Leute (Lehrerinnen, Erzieher usw. fragen müsste, was gute Musikvideos, Bücher oder so seien, hmm, das würde doch sehr an der eigenen Selbstachtung kratzen. Sehr schwierig.