Ich bin Mitglied bei Mentor und Lesepatin und kann die Gedanken von Modeste teilweise nachvollziehen. Mein vorheriges Lesekind (Zweitklässlerin mit großen Lernlücken) besaß ein Handy und ein Tablet, aber kein Puzzle, kein Memory, obwohl es das so gern spielt (und ein Puzzle sicher billiger als ein Handy ist, am Geld kanns also nicht gelegen haben). Die Eltern haben die (kostenlose) Lesestunde, die auf spielerisches Lernen angelegt ist und in der direkt auf die Vorlieben des Kindes eingegangen wird, ständig torpediert und haben das Kind oft vorher abgeholt, sodass ich umsonst kam. Die Lehrerin erzählte mir, dass die Familie auch gern mal ein verlängertes Wochenende auf dem Campingplatz verbringt und das Kind dann freitags und montags in der Schule fehlt.
Jetzt habe ich ein Flüchtlingskind als Lesekind. Die Familie lebt sehr beengt und mit wenig Geld, die Eltern gehen derzeit in einen Deutschkurs. Das Kind ist zu jeder Lesestunde anwesend. Neulich hat es mir stolz ein Lernheft gezeigt, dass der Papa ihm gekauft hat. Und hat berichtet, dass die Mama das Einmaleins mit ihr lernt, weil die Mama sagt, das müsse sie können. Wenn ich sie frage, was sie in der Schule am liebsten macht, sagt sie strahlend „alles“.
Wahrscheinlich hat die Familie meines ersten Lesekindes mehr Geld als die meines zweiten. Aber Schule, Bildung, Lernen ist ihnen völlig egal. Die Familie meines zweiten Lesekindes begreift Schule, Bildung, Lernen als Chance. Und diese unterschiedlichen Auffassungen spiegeln sich auch genau so im Verhalten der Kinder in der Lesestunde wieder.
Mich hat das ernüchtert zu erleben, wie wenig Unterstützung greifen kann, wenn der andere sie nicht annehmen will. Geld allein löst das Problem jedenfalls nicht.