Some snapshots of a night

Vom „LassunsFreundebleiben“ dann doch zur B., und auf ihrer Spüle sitzt eine Rumänin mit wunderschönem, rostrotem Haar, die ein Chanson ihres russischen Geliebten singt. „Das klingt schön.“, rufe ich ihr über den Rauch und die Stimmen hinweg zu und frage, worum es geht. „Da stirbt ein Kind am Benzinschnuffeln.“, antwortet statt ihrer ein blasser, schlanker Junge, der eine Bierflasche mit den Zähnen öffnen kann wie die Bauarbeiter, die vor Jahren das Haus gegenüber sanierten, als wir noch in Friedrichshain wohnten, der J. und ich.

„Geht’s dir gut?“, tätschelt die B. mir die Schulter und fragt nach Urlaubsplänen. Doch wieder Thailand, sage ich, male ihr und mir die riesengroßen Litschis aus, gekühlte Kokosnüsse am Strand, und das saftige Grün des Dschungels, platzend vor Chlorophyll. Mit der Rumänin auf den Schultern läuft der russische Geliebte ein paarmal um die Küchentisch, und sie ruft der B. irgendetwas zu, was ich nicht verstehe. „Kannst du rumänisch?“, frage ich, und sie nickt. Die B.² schildert irgendeinen absurden Film, und der Junge, der Bierflaschen mit den Zähnen öffnen kann, imitiert einen Schauspieler, den niemand kennt.

Über dem Tisch zerplatzen laut und leise die Pointen, abwechselnd klingeln alle Telephone und rufen zu Parties, die noch besser sein sollen als alle Parties der letzten Nächte. Vor dem Badezimmerspiegel malt sich die B. ein dunkles, verschattetes Blau um die Augen, und in einer Wolke ihres duftenden Puders laufen wir die Alte Schönhauser hinunter, fahren irgendwohin, und ich trinke viel zuviel Gin Tonic, lehne den Wodka ab diese Nacht, und lasse mir lauter Geschichten erzählen, die ich auf der Stelle wieder vergesse.

„Wo willst du hin?“, brüllt die B. mir ins Ohr, als ich mir die Garderobenmarke geben lasse, und ich zucke mit den Schultern. „Wo sind wir hier eigentlich?“, frage ich die Taxifahrerin, die dick und blond hinter dem Steuer thront wie ein weiblicher Berliner Buddha. „Dann fahren sie mich besser dahin.“, sage ich auf ihre Antwort, nennen eine andere Adresse und steige, eine Kurzstrecke weiter, aus dem Wagen. Die Fenster sind dunkel.

„Bist du allein?“, frage ich, das Telephon am Ohr, und lasse mir öffnen. „Hey Höllenprinzessin.“, umarmt mich der J.², reibt sich den Schlaf aus den Augen und tappt brillenlos und barfuß in die Küche. „Hier sieht’s aus.“, moniere ich, und J.² murmelt irgendetwas über Verrückte, die mitten in der Nacht andere Leute überfallen. „Du trinkst jetzt Tee.“, lehnt er Nachfragen nach Wein ab, nimmt mir die Zigaretten weg und verstaut das halbvolle Päckchen auf seinem Kleiderschrank, unerreichbar für meine 1,67.

„Magst du nicht endlich schlafen?“, fragt er, brüht einen Kräuteraufguss auf, schneidet aus einem Apfel eine Krone wie für ein kleines Kind und hüllt mich in zwei warme, wollige Decken gegen die Kälte, bis ich doch müde werde, und wir uns auf der Couch leise Geschichten erzählen von früher, bevor die Welt so schnell, so laut und grell wurde, wie sie nicht mehr aufhören wird zu sein, solange wir leben.

10 Gedanken zu „Some snapshots of a night

  1. Sie sind eine Privatkulturpessimistin, Frau Modeste. Lassen Sie uns mal Wetten abschließen. Ich wette gegen eine Ausdehnung der Grell & Laut Bewegung. Und jede Wette, dass ich gewinne. Obwohl…, Sie hören ja nie auf mich.

    PS: Und muss auch mal wieder sein: Sie malen hervorragende Bilder des Untergangs unserer kleinen Welt.

  2. REPLY:

    Danke, Monsignore Burnston. Von Ihnen lasse ich mich besonders gern loben. Und dass ich nie auf Sie höre, stimmt nun auch wieder nicht.

    (Wenn mir ein Gegenbeispiel einfällt, poste ich es an dieser Stelle)

    Was die Melancholie angeht, hey – ich habe Ihnen, geschätzte Leserschaft und insbesondere lieber Waschsalon, nie einen Rosengar die Lach- und Schießgesellschaft versprochen, oder? Und man kann sich schlechter amüsieren als in diesem Leben und hoffentlich auch als in diesem Blog.

  3. REPLY:

    „weiblicher Berliner Buddha“ ist genial!

    Ansonsten stimmt natürlich die Aussage der werten Gastgeberin-
    ein mit Melancholie betiteltes Blog ist nunmal keine Lachnummer.
    Wobei wir Spaß im Sinne von Freude ja doch immer mit diesem Blog haben,
    sonst würden es nicht so viele Leute lesen und kommentieren.

  4. Eine Lanze brechen

    .. für die Melancholie, vor allem Ihre, Frau Modeste, möchte ich. ich bade in ihr, wenn Zeit dazu ist (nicht nur samstags). Sie maskiert den zahnlosen Turbooptimismus, an den wir alle angedockt wurden (wenn wir nicht schon vorher links oder rechts hinabsanken).
    Danke für das Badesalz.

  5. die Welt

    wird auch wieder langsamer und leiser und zeigt sich in ein mildes Licht. Grins, wenn wir noch Zähne haben, hüten wir uns damit Bierflaschen zu öffnen. Und wir trinken frohgemut aus dem Glase.

    schönen Sonntag wünscht

    Mukono

  6. REPLY:

    Optimismus und Melancholie, meine Herren, schließen sich ja nicht aus, derweilen die Erwartung, dass unsere Hoffnungen erfüllt werden werden, ja nicht bedeutet, dass diese Erfüllung ausreichend sein wird, um einen Zustand zu erlangen, den man Glück nennen würde, wenn es nicht so pathetisch klänge.

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