Wenn eins nach einem Jahr Pandemie mal feststeht, dann das: Unter bedrängteren Umständen als meinem alles in allem verhältnismäßig komfortablen Leben wäre ich keine besonders angenehme Frau. Ich neige nicht nur dazu, selbst die maunzende Katze anzuschnauzen, weil ich schlecht schlafe und mir für Unmengen Arbeit der Ausgleich fehlt. Ich werde auch fürchterlich monothematisch und muss mir dann selbst sehr energisch ins Gedächtnis rufen, dass es wirklich schlimmere Schicksale als ausgefallene Urlaubsreisen, ein genereller Mangel an Ortsveränderung und bestelltes Essen gibt.
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Apropos bestelltes Essen: Mir schmeckt nichts mehr aus Schaumstoff und Alu und ich habe kürzlich eine Pizza nicht bestellt, weil ich die Vorstellung nicht ertragen habe, dass dann diese Pappschachtel tagelang in der Küche steht, weil der Müllraum voll war. Wenn ich irgendwo Essen kaufe, kann ich die – jüngst erstandenen – Glasschalen mitnehmen. Aber wenn ich bestelle, türmt es sich. Lieferando, Wolt, manchmal kommt auch ein Bote des Lokals selbst, und auch wenn ich das Essen umfülle, den Tisch decke: Nichts fühlt sich richtig an.
Ach, es fühlt sich überhaupt nichts richtig an.
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Dabei und alles in allem kann ich mich nicht einmal beschweren. Vermutlich können sich neun von zehn Bürgern dieser Welt gerade mehr beschweren als ich, aber, Teufel, was gäbe ich gerade für eine Nacht in der Stadt, einen dieser gläsernen Morgen auf einem Kreuzberger Dach, Gin und Gelächter, Aufbrüche, so eine raschelnde Geschäftigkeit am Flughafen, Hotelbettwäsche und das Meer.