Ihnen, mein sehr verehrtes Publikum, habe ich heute eine traurige Mitteilung zu machen: Der geschätzte ehemalige Gefährte, der vielgeliebte, gutaussehende und amüsante J. liegt leider ausgerechnet an seinem heutigen ungefähr 31. Geburtstag im Sterben und wird, während ich diese Zeilen schreibe, in seiner Wohnung am Helmholtzplatz von der Vogelgrippe dahingerafft.
„Würdest du mich sehr vermissen, wenn ich tot wäre?“, röchelte es ungefähr vorgestern aus dem Hörer, und der J. erläuterte mit ersterbender Stimme alle jene Symptome, die zweifelsfrei auf das nahende Ende eines Opfers der Vogelgrippe hindeuten. Schnupfen zum Beispiel. Gliederschmerzen und so ein allgemeines Unwohlsein, ich könne mir das vielleicht nicht so vorstellen…ihm sei zum Beispiel ziemlich kalt, und nachts würde er schwitzen.
„Es ist noch kein Berliner an der Vogelgrippe gestorben.“, beruhigte ich den geschätzten ehemaligen Gefährten, und deutete an, dass auch jene harmlose Erkrankung, welche die Welt eine „Erkältung“ nennt, sich in jenen eher diffusen Symptomen äußert. Überdies, versuchte ich, meiner Stimme einen festen und überzeugenden Klang zu verleihen, gehöre es doch nicht zu den Gewohnheiten des J., engen Verkehr mit gefiederten Wesen zu pflegen. Habe der J. in letzter Zeit einen Schwan gestreichelt? Leben in seiner Wohnung von mir bisher unbemerkte Hühner? Wurden flüssige Eier geschlürft, oder infiziertes Wildgeflügel roh verschlungen? – Ich nähme seine Beschwerden nicht ernst, entgegnete leicht gereizt der J. und beendete das Gespräch. Am Abend indes war er immer noch am Leben.
„Mach dir keine Sorgen!“, wiegelte ich also die fortwährenden Befürchtungen des J. ab und erinnerte an eine Vielzahl möglicher Todesursachen in den letzten zehn Jahren, die sich samt und sonders als harmlose Erkältungen oder gar als Zustand völliger Gesundheit entpuppten. Selbst die regelmäßige prophylaktische Einnahme eines Antibiotikums über den Zeitraum mehrerer Jahre, mit dem man gemeinhin Lungenentzündungen bekämpft, erwiesen sich als außerstande, die Rossnatur des geschätzten ehemaligen Gefährten zu zerrütten, dessen Familienmitglieder alle steinalt werden, wenn es sie nicht gerade an den Alleebäumen seiner niedersächsischen Heimat zerlegt. „Erinnerst du dich an das Dengue-Fieber?“, halte ich dem J. einen besonders spektakulären hysterischen Anfall vor, der erst im Bangkok Nursing Home ein Ende fand, als ein streng blickender Arzt dem hyperventilierenden und kreidebleichen J. verkündete, er sei nach medizinischen Maßstäben gesund. „Hast ja recht.“, konzedierte der J., Abkömmling einer ganzen Dynastie von Hypochondern, und 24 Stunden vergingen, bevor ich erneut mit dem Gesundheitszustand meines geschätzten ehemaligen Gefährten konfrontiert wurde.
„Herzlichen Glückwunsch, Lieblings-Exfreund!“, gratulierte ich gestern nacht also dem J., und drückte ihm eine Flasche Sekt in die Hand. Von der Vogelgrippe war vorerst nicht mehr die Rede. Plaudernd und trinkend saßen wir also auf dem Sofa des J., und jener hustete ab und zu dezent zur Seite. Auf einmal aber wurde der J. still und betrachtete entsetzt seinen rechten Fuß.
„Ist irgendwas?“, fragte ich und schaute ebenfalls seine Füße an, an denen keinerlei Auffälligkeiten sichtbar waren. „Siehst du das?“, wandte sich der J. an mich und deutete auf den Spann. „Da ist doch irgendwie…diesen Höcker habe ich auf der anderen Seite nicht. Das fühlt sich auch ganz komisch an!“ – der J. betastete seine Füße und schaute mich sorgenvoll an.
„Fußkrebs, ganz klar.“, seufzte ich auf und hob mein Glas auf seine Gesundheit.
Konstatiere eine schwere Enzündung des Hypochondriums.
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Eine Beule? Nun, da ist natürlich Beulenpest das Naheliegende. Am besten mit einem rostigen Messer öffnen und schauen, ob da was braunes, stinkendes rausläuft. Falls nicht, und der Patient stirbt dennoch, düfte es eine weniger spektakuläre Blutvergiftung gewesen sein.
Schon lustig, dass kein Mensch was dabei findet, dass hierzulande jedes Jahr Tausende an
TBC sterben, und es gibt diese Hysterie wegen Vogelgrippe. Früher, als Geschlechtskrankheiten
wie Tripper und weicher Schanker noch verbreitet waren, die richtig behandelt folgenlos
abheilten, da gab es zumindest noch Renommierkrankheiten, mit denen man sich eines wilden
Lebens spreizen konnte, aber heute muss es ja gleich tödlich (Aids) oder gar nicht einzuordnen
(Vogelgrippe, SARS etc. pp.) sein.
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Das, Don, hört sich nach einem sehr sinnvollen Plan an. Ich werde den Patienten mal fragen, was er davon hält.
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Der Mensch hört halt gern öfter mal was Neues.
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Solch drastische Behandlungsmethoden müssten Hypochondern eigentlich gefallen, zeigen sie doch, wie ernst ihr Leiden ist (und praktischerweise haben sie dann auch gleich noch einen Grund zu leiden).
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Ja, eben! Zu richtigen Apocalypsen langts nicht mehr.
Bei aller modernen Superlative hat bislang keine
Seuche es geschafft, den Schwarzen Tod zu toppen.
Und die neuen Epidemien halten meist micht, was
sie versprechen. Als ich ein kleiner Jungec war,
redete alles von einer neuen Pockenepidemie, die dann
gerade mal ein gutes Dutzend Leute befiel. Vielleicht sehnt
sich die Menschheit ja klammheimlich nach der großen Pandemie?
Wenn sie tatsächlich ausbricht, wills natürlich wieder keiner gewesen sein!
Ich geh mal kurz zum Gratulieren rüber. Ich liebe Flußkrebsalat von Nordsee.
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Aus unerklärlichen Gründen ist der Patient dagegen und präferiert liebevolle Pflege, Bettruhe und üppige Mahlzeiten.
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Ja, vielleicht äußert sich so der Wunsch nach dem großen Purgatorium, einer Reinigung in einem Fegefeuer aus Fieber, Blut und Schmerzen.
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Nordseekrabben, lieber Burnston. Geräucherter Butterfisch. Aal. Und bitte nicht von Nordsee, das ist ein blöder und perfider Laden mit sehr hässlicher Dekoration.
Wir werden alle sterben.
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Auch beim Sterben ist ja bekanntlich alles eher eine Frage des „wie“ als des „ob“.