(Bitte sprechen sie nach dem Signalton.)
„Ich bin’s. Modeste. Bist du da? Okay, natürlich bist du da, ich wäre ja auch da. Ist die J. schon angekommen? Ich komme etwas später. Also noch später. Ich bin grad’ in der U 2. Ich hoffe, du verstehst mich, ist hier gerade etwas laut. Eine Schulklasse oder so. Die ganze Stadt ist voller Schulklassen.“
(Freundin nimmt ab)
„Ah, super. Da bist du ja. Ich bin gleich da. Ich bin schon fast am Senefelder Platz. Tut mir leid, war nicht so geplant, aber ich war den ganzen Tag auf Achse. Drei Stunden allein bei P&C. Nein, nein: Immerhin auch was gekauft. Die erste Verkäuferin war eine Hexe, ich also abgehauen, aber die zweite war okay. Ein Kostüm, schöner Stoff, tailliert, eng, aber mit so einer Art Glockenrock. Sieht ganz gut aus. Zwei Oberteile, eins hell, eins dunkel, beide mit langem Arm. Sag’ mal, findest du auch mal Oberteile, die nicht entweder nach Klosterschule oder nach Freudenhaus aussehen? Auch nicht? Na, dann liegt’s jedenfalls nicht an mir.
Eine Jeans habe ich auch noch gekauft. Nein, ganz Standard, G-Star, Normalmodell für dicke Damen. War so ungefähr die zehnte, die ich anhatte. Der Wuscheljunge in der Jeansabteilung ist fast irre geworden an mir. Ich hab’ so getan, als würde ich das Augenrollen nicht sehen. Nützt ja nichts, ich muss ja irgendwas anhaben.
Ja, im KaDeWe war ich auch noch. Einmal halt einfach so, und außerdem wegen des Geburtstags der J. Nein, ein Parfum. Hast du auch …? – Ach gut. Ich dachte schon. Nein, Crabtree & Evelyn. Sarawak. – Wieso? Ich find’ das gut. Na, ist ja auch nicht für dich.
Bisschen herumgeschnuppert halt. La Prairie, falls ich mal reich werde. Und Lalique. Kennst Du Perle de Lalique? Riecht super, aber ein bisschen sehr. Also sehr. Ich will ja nicht, dass neben mir Leute umkippen wegen einer morgendlichen Überdosis Duft. Vielleicht später, na ja. Vielleicht auch nicht.
Nein, ich ess’ nichts. Quatsch Diät, ich bin noch verabredet. Mit den Jungs. Steak essen, halb zehn. – Macht doch nichts, wird dann halt etwas später. Die können ja schon mal anfangen mit der Vorspeise. Kann ich mir eh nicht mehr leisten. Ich platze nämlich demnächst.
So, ich bin jetzt da. Also an der Eberswalder. Wenn ich ein Kurzstreckentaxi kriege, wäre das toll. Ich bin gerade schuhtechnisch etwas indisponiert. Die Schuhe sind super, aber nichts für Füße. Wirst schon sehen. Fast wie deine Schwarzen, aber nicht ganz.
…
So, bin jetzt bei dir vor der Tür. Siehst du mich? Soll ich klingeln, oder geht der Summer auch so? – Ah, gut. Tür ist offen.
Schön dich zu sehen.“
Oh Berlin …
… U2, Senefelder Platz, P & C, KaDeWe, Eberswalder … ich schließe die Augen und beobachte Sie beim telefonieren …
REPLY:
Ja, das haben die anderen Leute auch getan, aber was soll man machen.
Der Abend ging mit der mitgeschleppten Verspätung übrigens auch so weiter, ich war also zwei Stunden bei der C., dann klingelt das Telefon, weil die Jungs Hunger hatten und schon den zweiten Aperitif intus. Ich also weiter, wieder ins Taxi, und habe mir den Hörer am Ohr die Speisekarte vorlesen lassen, weil die Herren endlich bestellen wollten. Weil der Fahrer wirklich laut orientalischen Pop anhatte und sogar noch weiter aufgedreht hat, habe ich mit erheblichem Lungenaufwand ins Telefon brüllen müssen, ich wolle Thunfischtartar essen:
Thuuunfisch! Nein! Du bist ganz schlecht zu verstehen! Hörst du mich nicht? Thunfisch! Und dann ein Steak. Steak!! Ja! Fleisch! Nein! 250 Gramm.
Sehr zerrüttend.