„Ganz gut“, sage ich Schwesterchen, und lasse mir von ihrem Urlaub erzählen. Es scheint schön zu sein, dort am Meer, sonnig, und Schwesterchen schickt mir ein Photo aufs Handy, auf dem sie hinter einer riesigen Sonnenbrille versteckt lacht, dass die Zähne blitzen.
Unverschämt gesund sieht Schwesterchen aus, so schlank, wie ich niemals sein werde, und so lebendig, wie ich mich nicht einmal fühle, wenn ich keinen Heuschnupfen habe. Von Herzen beneide ich Schwesterchen um diese ungeheurliche Vitalität und schaue aus dem Fenster meines Büros über den Teil von Mitte, der nicht so besonders posh ausschaut, sondern eigentlich nur ein bißchen abgewrackt und schäbig. Auf meinem Tisch liegen rund zehn Kilo Papier.
„Du musst ans Meer!“, empfiehlt Schwesterchen und erzählt irgendetwas Belangloses über Delphine und Surfer, und ich schaue dem kleinen, länglichen Rechteck beim Auf- und Abtauchen zu, das anzeigt, dass mir jemand E-Mails geschrieben hat und auf Antwort wartet. Mir läuft die Nase. Dann lege ich auf.
Ans Meer würde auch ich gern fahren, male ich mir die Wellen aus und das Salz und die Endlosigkeit des Himmels. Delphine brauche ich nicht, aber Sonne wäre schön, Gelächter im Hintergrund, klirrendes Eis in Gläsern und lachen würde auch ich, eine Sonnenbrille würde ich tragen, aber so lachen wie Schwesterchen würde ich nie, nie wäre ich so lebendig, so strahlend, so ganz und gar dem Augenblick anheim gegeben und wehend im warmen Wind wie Fahnen in leuchtenden Farben.
Also, ich bin ja gerade vor dem Heuschnupfen nach Italien geflohen, und muss sagen: das Gefühl der Befreiung kann man sich gar nicht vorstellen, und man lebt so unglaublich auf – das hat absolut gar nichts mehr mir dem Schniefen zu tun. Jucheissasa. Wirklich!
Tja. Was jammert der Sklave, wenn er das Gold seiner Ketten liebt…
irgendwie
scheint jeder (vielleicht sogar das einzelkind?) eine schwester oder einen bruder zu haben, die/den er um seine wesensart beneidet, die einen wollen unbeschwerter (und vielleicht ein wenig dümmer) sein, die anderen genau das gegenteil.
uns allen ist gemeinsam, dass wir irgendwie anders sein wollen, als wir sind, dass wir uns auf unerfindliche art „nicht richtig“ fühlen und stets jemand anders parat haben, der richtiger ist als wir.
manchmal aber sollten wir uns damit trösten, dass wir geschwister haben, die sich genauso fühlen. vielleicht. wahrscheinlich …
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Herrliche Vorstellung. Leider gerade nicht daran zu denken. Im Juni wieder, vielleicht über Pfingsten.
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Man hätte halt gern alles, und ist stets erstaunt, dass man es nicht bekommt.
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Schwer zu sagen. Vielleicht, aber wahrscheinlich ist es nicht.
You are lucky – ich kann mich nicht mal mit solch einem Geschwister herausreden – meinen Vater-dreier-Kinder-Bruder-in-einem-Vorort-unserer-Geburtsstadt beneide ich allerhöchstens um seinen flachen Bauch. Er ist nicht mal glücklicher als ich. Wenn ich auch noch Heuschnupfen hätte, würde ich suizidal. (Und falls Sie das bereits sind: Toitoitoi.)
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Ach, Schesterchen hat – das hoffe ich zumindest – auch ihr Päckchen zu tragen.
Wer weiß, was aus Ihnen geworden wäre, deckte das Schwesterchen nicht permanent die Sonne(nseiten) des Lebens ab;)
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Tja. Das Schwesterchen. Es wäre interessant, einmal ihre Perspektive abzugleichen.