Nein, sage ich. Das ist es gar nicht. Wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich nicht anders aus als vor drei Jahren oder fünf. Wenn ich durch die Stadt laufe, werde ich meistens noch geduzt. Es ist bei mir nicht wie bei anderen Leuten, die sich jung fühlen, aber alt aussehen. Es ist nicht einmal der Job. Ich habe auch keine Familie und habe alles vermieden, was schwer an einem hängt. All die Sorgen, die Verantwortung und die Pflichten. Das ist es nicht.
Es ist vielleicht die Überraschungslosigkeit der letzten Jahre, in der glatt und wie auf Schienen mein Dasein durch die Wochen und Monate läuft. Es sind die flachen Amplituden. Es ist, als ob mir Leben und Welt wie warmes Wachs um den Leib geflossen sind, um nun zu erkalten, zu erstarren und mich einzukapseln, bis ich mich nicht mehr bewegen kann und mich keiner mehr hört.
Es mag der graue Schleier sein, der zwischen mir und der Stadt durch die Straßen weht. Es mag sein, dass ich nur nicht sehe, wie die Welt mit mir lacht. Es kann wohl auch sein, dass ich nur nicht vertrage, dass alles gut läuft, und mich nicht mehr spüre, wenn die Welt die Krallen einzieht und schnurrt. Vielleicht bin ich einfach nicht gut in so einem lauwarmen Glück, doch wahrscheinlich sind es nicht nur die Umstände. Nicht nur, wie alles ist. Nicht der Job, nicht das Leben, nicht die wohltemperierte Liebe, die ausgewogenen Freundschaften, die sorgfältig gepflegten Beziehungen zur Familie daheim.
Wahrscheinlich ist es wirklich das Alter. Bestimmt ist es ein bißchen Abstumpfung, ein wenig Alles-schon-dagewesen, ein Verlust an Sprungkraft, an Vitalität, an Neugierde, an Leichtsinn: An etwas, was nicht wiederkommt. Ich bin nicht mehr jung. Das wird es sein.
Liebe Frau Modeste,
Sie sprechen mir aus der Seele.
Mit einem Unterschied.
Sie können es so wundervoll ausdrücken.
In Bewunderung
Ihr Blinkyman
Frau Modeste, ich meine, Sie werden beizeiten noch über sich selbst staunen, nämlich dann, wenn es zuviel des Lauwarmen und Wohltemperierten wird, weil Sie merken, dass Sie tatsächlich älter werden und die voraussichtlich verbleibende Lebenszeit bei weniger als 50% liegt.
Diesem Prozess wohnt eine Chance zu ungeahnter Freiheit inne …
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das kann ich bestätigen. ich bin mal von 70 ausgegangen und habe mit 35 – als mich ein ähnlich lauwarmes gefühl plagte – mein leben bei rechnerischen 50% in vielen bereichen komplett auf den kopf gestellt und wieder auf heiß und kalt duschen umgestellt. ich bin viele risiken eingegangen ohne zu lange darüber nachzudenken. aus heutiger sicht waren die letzten sieben jahre daher das denkbar größte abenteuer meines lebens – und ich liege oft abends im bett und denke „woah, wer hätte das gedacht!“.
ich kann also beruhigen. wenn man es noch will, geht es jetzt erst richtig los. (o;
ich glaube, langsam verstehe ich. dieses „ich bin nicht mehr jung“, das hatte ich auch. dieses halbzeitding, wie schon gesagt. gleichzeitig plötzlich diese vielen jungen menschen überall, die ich immer als „klein“ bezeichnen wollte. was natürlich irgendwie gemein ist, sie sind ja nicht alle „klein“. aber die meisten. 😉
Meiner Oma schmeckt Brot nicht mehr. Sie sagt, sie habe es schon zu oft gegessen…
Letztens in einer Sendung zum Thema ‚Glück‘ ging es in diesem Zusammenhang auch um Herausforderungen im Leben. Offenbar haben irgendwelche Menschen herausgefunden, dass ein Mensch glücklich ist, wenn er eine Herausforderung bewältigt hat. Unglücklich ist er wenn er überfordert oder unterfordert ist. Dem kann ich nur zustimmen. Getane Pflichten machen froh….überstandene Krisen bereichern..und Verantwortung der man sich stellt macht stolz. Das kann ich wenigstens für mich unterstreichen. Eine Erkenntnis die lange brauchte…;-). Mittelmäßiges Dahinplätschern wäre für mich keine Dauerperspektive. Aber ab und an Muße genieße ich sehr……
Ich persönlich glaube nicht, dass das etwas mit dem Alter zu tun hat. Alt werde ich sein, wenn ich keine Visionen mehr habe, keine Träume…wenn ich satt bin. klara
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Vielen Dank!
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Nun, dann bin ich gespannt.
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Ja, an den Jüngeren sieht man es besonders.
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Wie traurig.
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Lehrbuchhaft funktioniert das so. Realiter funktioniert es oft anders. Es mag an den Erwartungen liegen, die man ans Leben hat. Eine Achterbahn stellt der liebe Gott halt nicht jeden Tag auf, und auch Feuerwerke werden nur an den Festtategn des Lebens abgebrannt.