„Da!“, deute ich in der Marienburger ganz unten auf den schmalen Streifen zwischen Bürgersteig und Fahrbahn. Dort, zwischen einem der dünnen Baumstämmchen und einem Fahrradständer sitzt eine Katze.
Die Katze ist keine der zerrupften, mageren Straßenkatzen, wie man sie bisweilen sieht, spitz, frech aus Notwehr und nie ganz sauber. Diese Katze – eher scheint es sich noch um einen Kater zu handeln – ist flauschig, bestimmt 40 Zentimeter lang und ihre 7 kg schwer, ingwerfarben und kräftig. Selbstbewusst sitzt sie da, kommt gelassen mit erhobenem Kopf auf mich zu und reibt ihren schönen, breiten Kopf an meinem Hosenbein. Nun bin ich markiert und gehöre der Katze.
„Meint Ihr, die ist weggelaufen?“, frage ich den J., die M. und den M. „Die ist hier bestimmt irgendwo zu Hause.“, kommt es zurück. Andererseits: Hier, zwischen Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße, mitten im Prenzlauer Berg, lässt niemand, der halbwegs bei Trost ist, seine Katze frei herumlaufen. Vermutlich ist die Katze doch entlaufen, schnell, irgendwo durch eine halb geöffnete Tür davon, durch das Treppenhaus, und schon draußen. Vielleicht gehört sie auch zum Blumenladen gegenüber oder zu dem vietnamesischen Imbiss, bei dem die Katze sitzt, als ich mich umdrehe. Auf einem der Klappstühle thront die Katze und sieht einem Gast versonnen beim Essen zu.
Ich mache mir ernsthafte Sorgen. Die Greifswalder Straße ist viel befahren. Hier fährt die Tram. Hier fahren Autos, und zwar nicht nur die langsam vor sich hin schleichenden Wagen der Prenzlberger, die nie schneller als 30 km/h fahren, weil sie Angst haben, ansonsten ein kleines Kind zu erwischen. Hier fahren auch die Weißenseer, die Pankower, die Randberliner, ungeschlachte Autofahrer mit einer ungebrochenen Liebe zur Geschwindigkeit. Schon sehe ich die Katze platt gefahren blutend auf der Greifswalder Straße zucken. Besser wäre es, ich nehme die Katze nach Hause mit.
Auf der anderen Seite: Man kann nicht einfach Katzen mitnehmen, die augenscheinlich jemandem gehören. Vielleicht darf die Katze doch (mag es auch unvernünftig sein) frei herumlaufen, und wird heute abend unter Tränen vermisst, wenn sie nicht zum Essen kommt? Vielleicht ist die Katze auch nur schnell ausgerissen und kommt gleich heim? Vielleicht gehört sie sogar zum Imbiss, bei dem sie gerade sitzt, und ihr prächtiges Fell und ihre stattliche Erscheinung resultieren aus den Resten von Entenfleisch süß-sauer und Pho-Suppe mit Reisbandnudeln mit Huhn?
Lange schaue ich mich noch nach der Katze um. Bis zum Kaisers an der Winsstraße sehe ich die Katze. Bis in die Wörther Straße und zurück spreche ich über die Katze, und auf dem Rückweg sehe ich erleichtert keine tote Katze auf den Straßen liegen.
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