Man muss sich das also so vorstellen: Sie kommen aus dem Büro. Sie haben ein rotes Etuikleid an und isabellafarbene Pumps. Sie beeilen sich mächtig, sie laufen auf ihren sieben Zentimetern die Treppe hoch und sacken dann auf der grauen Auslegeware in sich zusammen. Auf der Bühne vor Ihnen wandern 15 Kinder in rudimentären Verkleidungen um eine Trittleiter herum.
Die beiden Erzieherinnen lesen „Peter und der Wolf“ vor. Die Kinder spielen, ab und zu soll ein Kind mal einen Satz sagen, der dann so vernuschelt und leise kommt, dass eigentlich nur derjenige das Stück versteht, der es kennt. Im Raum dürfte das aber eigentlich jeder sein, weil die Kita die Eltern dermaßen handverlesen hat, dass Eltern ohne Bezug zu klassischer Musik von vornherein nicht vorkommen dürften. Die Kita ist städtisch, aber der Kiez so gründlich gentrifiziert, da ist es dann auch schon egal.
Bevor Sie sich so langweilen, dass sie ihr Handy aus der Tasche ziehen, ist das Stück zuende. Sie dürfen aufstehen, in den Gruppenraum gehen und Blechkuchen essen. Den haben angeblich die Kinder gebacken. Weil er eigentlich ganz gut schmeckt, bedanken Sie sich in Gedanken bei den Erzieherinnen und trinken schnell zwei Tassen Kaffee. Während dessen klettert Ihr Dreijähriger auf Ihnen herum und Sie fürchten für Ihre Strumpfhosen.
Die Kinder haben gebastelt, und die gebastelte Seifenschale sieht bei freundlicher Betrachtung aus wie ein etwas extravagantes Schnitzel. Sie bedanken sich überschwänglich. Gleichzeitig erreicht der Lärmpegel das Niveau einer Werkshalle, in der riesige Maschinen abwechselnd gegeneinander donnern, während andere Maschinen schrill pfeifen und quietschen. Ihr Sohn baut mit großer Konzentration einen Gegenstand aus Lego, der der Seifenschale ein wenig ähnelt.
Sie würden sich eigentlich ganz gern mit den anderen Eltern unterhalten, die sind nämlich eigentlich ganz nett. Kurz brüllen Sie mit einer andern Mutter eine Kurzunterhaltung über Brüssel, eine Ausschussanhörung und widerliche Flughäfen, und sprechen mit einer anderen über einen Künstler, den die andere Mutter überschätzt findet, und Sie auch. Mit den meisten Anwesenden könnten Sie durchaus eine ganz nette Unterhaltung führen, aber nicht hier.
Endlich dürfen Sie weg. Sie atmen dreimal ganz tief die feuchte, kalte Winterluft ein, sie schieben ihr Rad durch die Dunkelheit, und dann fahren Sie mit Mann und Sohn zu IKEA, weil es jetzt doch auch schon egal ist. Sie wandeln durch die schwedischen Dekohöllen, sie kaufen Decken, Lampen, Kinderschränke, und Sie sind so göttlich entspannt wie Buddha herself, denn Sie wissen: Sie sind entkommen.
Manometer! Das ging aber schnell bergab.
Wo ist sie hin die schöne Weihnachtsstimmung?
Und welche fürchterliche Mühle hat sie gefressen
wie Max und Moritz?
Die Seifenschalen wurden früher bestimmt auch mal
gerne als Aschenbecher angepriesen.
Die Welt ist besser geworden!
Ja, da haben Sie recht. Besser, schöner, lustiger, auch leichter.