Wir mittelalten Leute sind ja fast alle so ein bisschen dolle beschäftigt. Ich zum Beispiel, ich habe gerade eine Lunchverabredung für den 24. Mai getroffen, 12.30 Uhr am Potsdamer Platz, weil die Bekannte, mit der ich essen gehen will, mehr Termine als die Bundeskanzlerin und der Papst zusammen haben muss.
Noch vor drei Jahren wäre ich vermutlich einfach so am 24. da aufgetaucht. Aber inzwischen habe ich zweimal irgendwo gesessen, nach zehn Minuten angerufen, und ein paar Minuten später ist dann jeweils ein etwas atemloser Mensch aufgetaucht. Er hätte gedacht, wir mailen nochmal. Dabei ist dann auch mir aufgefallen, dass ich regelmäßig am Tage einer Verabredung Nachrichten bekomme, in denen „bleibt’s bei heute Abend?“ oder „wir sehen uns nachher, schaffst du’s?“ steht. Einmal habe ich aus Versehen nichts geschrieben und der mit mir verabredete Mensch hat auch nichts geschrieben, und dann gab es eben einvernehmlich kein Treffen, nehme ich zumindest an, denn wenn er da gewesen wäre, hätte er mich vermutlich angerufen oder bei nächster Gelegenheit angesprochen.
Mir kommt diese neue Unverbindlichkeit natürlich total entgegen. Was weiß ich, was am 24. Mai los sein wird. Vielleicht bin ich dann sonstwo. Oder es regnet und ich habe keine Lust auf den Potsdamer Platz. Auf der anderen Seite: Eigentlich wird der Aufwand ja so mehr statt weniger. Erst so eine Art unverbindliche Voranmeldung, na, wie sieht’s bei dir am 24. aus, bei mir noch gut, ne, besser doch zwei Tage später. Nein, da bin ich in München. Also irgendwo so. Dann noch die Einigung auf ein Lokal, die ja immer auch so ein Statement dazu beinhaltet, was man über sein Gegenüber so denkt und ob es sich um ein Date handelt oder doch nur um ein Mittagessen. Und dann noch Schritt 2, die Finalisierung als verbindlich, umgehende Reservierung, wobei das ja meistens nicht ich mache, sondern meine Verabredung, also wenn ich mit einem Mann verabredet bin, und noch eine Runde Kommunikation, wenn das Wunschlokal ausreserviert ist und man dann doch woanders essen muss.
Soweit alles schön. Aber was hat es zu bedeuten, wenn man sich nicht mehr meldet? Darf man sich dann später wieder melden, wenn man wieder mehr Zeit hat? Oder beinhaltet das Nichtmelden eine dauerhafte Absage gemeinsamer Mittagessen? Dann müsste ich, wenn ich es dann doch nicht schaffe, jeweils ausdrücklich absagen, und Leute, die mir nicht ausdrücklich absagen, dauerhaft aus der Liste möglicher Lunchpartner löschen. Aber wirke ich vielleicht etwas überengagiert, wenn ich ausdrücklich absage? Und erst jüngst habe ich eine Bleibt’s-dabei-Mail geschrieben, und die Antwort – ja, klar – klang eher so ein bisschen befremdet.
Oder ich sehe neue Konventionen, wo gar keine sind, und meine Verabredungen wollen nur sehr dezent zum Ausdruck bringen, dass mein etwas sprunghaftes Verabredungsverhalten sie, gelinde gesagt, ein bisschen fordert.
Jetzt wo Sie es sagen fällt es mir auch auf.
Ich glaube aber dass es nur auf Freunde und Bekannte zutrifft, die einem so „mittig bis entfernt“ nahestehen.
(der letzte Satz kling bescheuert aber Sie wissen was ich meine…oder?)
Oh ja, es geht eher um Bekannte. Mit Freunden hat man ja ohnehin immer so einen fortlaufenden Kontakt, da ergibt sich eine solche Situation (vor Wochen verabredet, seitdem nichts mehr gehört) ja gar nicht