Die M. wird 35. Es gibt Pizza und Sekt, und das überraschte Geburtstagskind sitzt inmitten der Freunde, die ihr Freund am Vortag per Mail zusammengerufen hat.
Gut sieht sie aus, finde ich, gut auch die anderen Freunde, die teils aus dem Büro gekommen sind und teils von zu Hause. Wir haben uns nicht sehr verändert in den letzten sieben, acht Jahren, glaube ich und schaue in die Gesichter rund um den Tisch.
„Was hast du vor im nächsten Jahr?“, frage ich irgendwann und schenke mir ab und zu Sekt nach und esse Torte. „Nichts.“, sagt die M. und fügt hinzu, dass es kaum mehr etwas gebe, was sie hoffe und erwarte, und ich bin ein wenig erschrocken.
Aber vielleicht hat sie recht: Zwischen zwanzig und dreißig passiert unglaublich viel, wenn das, was man machen wird und wie man lebt, sich langsam und mühevoll herauskristallisiert. Noch viel mehr verändert in den zehn Jahren davor, wenn man aus einem weichen, noch fast ungeformten Kind man selber wird, mit dem man leben muss den Rest seiner Jahre. Ab 30 ist dann vielleicht nicht mehr arg viel los.
Vielleicht läuft alles reibungslos weiter. Ein wenig Karriere wird man jetzt noch machen. Vielleicht bekommt die eine oder andere ein Kind. Aber jemand anders wird keiner von uns mehr werden, es sei denn, es läuft etwas schief. Nur noch Variationen wird es geben der Möglichkeiten seiner selbst, und Überraschungen, Überraschungen bieten die Jahre, die kommen, wohl nicht mehr arg viele, und was bleibt ist Verfall am Ende und ein wenig Langeweile zuvor.
Es hilft…
…wenn man sich die Neugier bewahrt und die Fähigkeit zu staunen (sagt einer, der in wenigen Wochen kein Endvierziger mehr sein wird). Zumindest hilft es gegen die Langeweile.
Das finde ich etwas zu schwarz gesehen. Obwohl – es kommt ja immer drauf an, wie man es sieht. Ich sehe mein Leben nicht langweilig, sondern wunderschön. Endlich ist es ruhig geworden. Endlich verläuft alles in den geregelten Bahnen, die ich mir immer gewünscht hatte. Endlich kann ich das, was ich mir mühselig erschaffen habe, auch genießen. Der Genuß dessen, und mir selbst dessen bewußt sein, macht mein Leben so wunderschön.
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Ich freue mich über diesen Kommentar. Ich wünsche auch, dass diese Lebenseinstellung möglichst erhalten bleiben kann.
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Es überrascht mich immer, wenn ich jemand über Langeweile klagen höre.
Ich empfände es wie ein körperliches Gebrechen, Langeweile empfinden zu können. Vielleicht mit 80 oder mit eingeschränktem Denkvermögen.
Für Langeweile bleibt keine Zeit – davon hat man nämlich weniger. Weshalb allein deshalb das Leben organisierter wird. Und weil man auch nicht mehr alle Fehler wiederholen muss (hat man auch keine Zeit mehr für), bleiben manche Überraschungen aus, das stimmt. Dafür kommen andere, und die sind dann wirklich faszinierend, weil man sie ganz anders erfaßt, so wie man ein gutes Essen anders zu schätzen weiß.
oh mein gott….. das klingt ja so gruselig wie das leben kaum sein kann.
ehrlich gesagt finde ich das schrecklich, wenn so junge leute, so alt daher reden….
zugegeben, von 20-30 war’s extrem bunt. aber zwischen 30 und 40 habe ich in zwei ländern gelebt, war mit zwei männern verheiratet, habe zwei berufe ausgeübt. zwischen 40 und 4x gab es erfolge und eine erneute heirat, wilde freunde und wir sind subversiver denn je zuvor…. als neee echt, wie kann man so jung sein und so alt fühlen????
Depressionen sind keine Frage des Alters, wiewohl die Umstände des letzteren die erstere begünstigen können.
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dito …
und: langeweile? man, für diesen zustand würde ich sehr viel geld zahlen. und dennoch würde ich die antwort genau so geben. „nichts“ steht für mich als platzhalter für zufriedenheit. ich brauche den ganzen ablenkungskäse nicht mehr. ich brauche „nichts“ neues. und ich hoffe auf ein jahr, in dem auch mal „nichts“ passiert. ich weiß aber auch jetzt schon ganz genau, dass natürlich das genaue gegenteil eintreten wird.
p.s.: nach 30 war bei mir deutlich mehr los wie vorher. und vorher war schon verdammt viel los. und ein anderer mensch bin ich auch geworden. zumindest anders orientiert. und nach soviel zauber, da würde man sich durchaus mal auf das große „nichts“ freuen …
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… das frage ich mich ehrlich gesagt auch.
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ditto;-)
aber ich bin ja auch 10 jahre älter als die m. und lass mich grad aufs nächste abenteuer ein. bzw. bin ich da wohl eher schon ein wenig fortgeschritten;-)
Ach, das dachte ich auch damals, dass das Leben mit 30 zu Ende wäre. Ich habe geweint in jener Nacht. Und dann beschlossen, einfach das Übel
abzuwarten.
Es kam ganz anders. Das Leben begannt mit 30 und ist immer noch nicht zu Ende. Keiner hatte mir zuvor gesagt, wie spannend es ist, wenn man es ein bißchen gelernt hat, zu leben.
Nicht jeden Fehler nochmals zu machen und mit seiner Zeit zu haushalten.
Sich nicht dauernd an die falschen Leute und die falschen Projekte zu klemmen.
Nichts tun genießen zu können.
Den Mund aufzumachen und keine Angst zu haben vor den Folgen.
Sich nicht so wichtig und ernst zu nehmen.
Die Weinerei mit 30 hätte ich mir sparen können, ehrlich.
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Ich bin gespannt. Aus gegenwärtiger Perspektive war das Jahrzehnt zwischen 20 und 30 amüsanter als die letzten vier Jahre des neuen Lebensjahrzehnts.
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Bisweilen haben Schwarzseher ja auch einfach nur recht.
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Da ist wohl jeder anders.
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Das mag sein, aber die Überraschungen halten sich sehr in Grenzen. Dieses Jahr war von großer Vorhersehbarkeit und bei aller Arbeit ein wenig langweilig.
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Ich langweile mich schnell, wenn das Leben wenig Überraschungen bietet.
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Da haben Sie sicher recht, aber man hat das nur bedingt in der Hand.
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so eine veranlagung tut mir ja fast schon leid. das leben bietet ausreichend überraschungen im kleinen. das habe ich lange zeit eindeutig verpennt. aber früher fand ich es auch mal cool dauernd im flieger zu sitzen. bis ich irgendwann feststellte, dass ich nirgendwo wirklich war …