Lob der Maßlosigkeit

Viel hilft viel
(Volksmund)

Nicht den Löffel Sahne, sondern den ganzen Becher – nicht die hastige Stunde zu zweit, den Blick auf die Uhr, sondern tage-, ach wochenlang nebeneinander liegen, den Geliebten ganz durchtränken, bis die Grenze unscharf wird zwischen dem eigenen Fleisch und dem fremden. Nicht das Glas Rotwein, nicht den vorsichtigen Zug an der einen Zigarette nach dem Essen, sondern solange rauchen, bis man ganz aus blauem Rauch besteht, und trinken, bis man sich auflöst in der scharfen, wasserklaren Kälte, die Straßen der Stadt pulsieren, rot und warm werden, und der Herzschlag Berlins einen weitertreibt, irgendwohin, und vielleicht am anderen Morgen zurück.

Nach jedem Moment, nach jeder Erfahrung greifen, weil man morgen tot sein kann, und nichts einen entschädigen wird für all das, was man gelassen hat, weil man zu feige war, zu träge, zu langsam für den goldenen Moment, für dieses gesteigerte Gefühl der einzigartigen Minuten irgendwo, jenseits der Grenzen. Den Triumph, sich selbst und sein eigenes Leben ausgebreitet zu haben wie einen Mantel, ein Tuch, in das man alles, alles, alles einschlägt, um es mit sich zu nehmen.

Nichts wird dir so leid tun, wie das Ungelebte, flüstert die Gier und zieht dich zu sich in den Schatten. Nichts wirst du mit dir nehmen, sagst du dir vor. Nichts wirst du nachholen können, und wenn es vorbei ist, wird nichts dir geblieben sein als die Summe deiner Momente, die Höhe deiner Sprünge und Stürze, und die Befriedigung, all das gehabt zu haben, was für dich erreichbar war, hier und heute.

Hier illustriert durch den großartigen Herrn SvenK.

10 Gedanken zu „Lob der Maßlosigkeit

  1. Danke, Herr Wallhalladada, Frau Morgana und Frau Larousse – gelobt wird man ja immer gern. Und Zurückhaltung, Frau Testsiegerin, da haben Sie recht, ist einer der sichersten Wege zur Hölle aus Langeweile und Leblosigkeit.

    Von Ihnen, Herr Rationalstürmer, ließe ich mir auch gern einen ausgeben, und wenn Sie einmal in Berlin sind, nehme ich Sie beim Wort!

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