Diese Leute mit ihrer unerschöpflich erscheinenden Vitalität, derb und robust mit den roten Wangen wie Äpfel, habe ich stets bewundert. In ihrem Inneren scheinen zuverlässige Walzwerke einen steten Strom angemessener Emotionen hervorzubringen, die in regelmäßigen Abständen ruhig und ohne Schrecken, Blitz und Donner zu Boden fallen.
In den bald drei Jahrzehnten meines Lebens habe ich nie eine solche Mitte gefunden. In meinem Unterbewusstsein produziert eine Art rostiger Pastamaschine, wie man sie manchmal in italienischen Hinterhöfen sieht, ruckartig und unregelmäßig einen schmierigen Gefühlsbrei. Auf jeden Reiz hin tummeln sich schmutzige Trolle im Keller meiner Gesamtpersönlichkeit und produzieren in kurzer Zeit riesige Mengen des Breis, um dann nach Hause zu gehen und ihre Überstunden abzufeiern. Für jede Aufregung, jeden Streit, jeden kleinen Exzess der Gehässigkeit und jeden Rausch aus Kunst oder Liebe bezahle ich dann mit Stunden oder Tagen einer unbeweglichen Taubheit. Gleichermaßen können Nachrichten über Krebserkrankungen wie Hochzeiten an mich kommen, das bleibt sich gleich. Ein Notbetrieb aus Konvention und Erziehung verhindert öffentliche Faux pas.
Als Kind habe ich in den Wellen dieser Betäubung mich gern verkrochen, unter dem Schreibtisch meines Vaters oder zwischen den Abendkleidern meiner Mutter gesessen und auf die Rückkehr des Gefühl gewartet, wie man nach dem Zahnarzt wartet, dass die Lippe wieder schmerzt, die man blutig beisst.
Das liest sich, als hätten Sie einen Gefühlspolizisten mitbekommen. Der prüft und checkt jedenEmotion im Aufstieg und verleiht das Prädikat „berechtig“, dann darf das Gefühl gespürt werden. Oder „völlig bescheuert“, dann darf es nicht.
Manchmal wischt ihm ein Gefühl ungeprüft durch – weil es zu schnell oder zu heftig war. Dann muss der Gefühlspolizist natürlich erst mal die Zügel ganz fest anziehen um zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist.
(Ihr Bild sind die Brei-Trolle, meines ist der Gefühlspolizist. Gruslig.)