Kürzlich sprach mir ein Herr über die Möglichkeit, auch die mäkeligen Damen zum Essen zu erziehen. Obschon jenem Herrn ein beträchtliches Überzeugungstalent zu eigen ist – an den schmalen Lippen jenes Eisklotzes an Frau, dem ich mich gestern Nacht gegenüber sah, wäre jeder Versuch der Fütterung abgeprallt.
Vor gar nicht allzu langer Zeit, als der M. noch ein Optimist gewesen sein muss, bezog er eine für eine Person geradezu unmäßig große Wohnung, geeignet für die Anschaffung einer Rotte Kinder und der gleichzeitigen Unterbringung von Frau und Geliebter, ohne dass sich beide jemals hätten begegnen müssen. Leider hat sich das Personal dieser reizenden Vision im Leben des M. nicht eingefunden, und so sitzen um den langen Tisch des M. in aller Regel nur die üblichen Freunde: Der T., gestern in einer originellen Kombination von Tweed überm roten T-Shirt, die C. mit Begleiter, und ich. An besonderen Abenden – und was wäre mehr speziell als ein dreißigster Geburtstag – verlieren sich aber noch weitere Gestalten in den Zimmerfluchten des M., Kollegen etwa, obskure Menschen, die der M. an uns unbekannten Orten aufgelesen hat – und, seien wir ehrlich: Möchte man Menschen kenne, die auch gute Freunde in der Friedrichshainer Astro-Bar aufgesammelt haben?
Weil der M. nicht kochen kann, klingelt in den Nachmittagsstunden irgendwann ein Party-Service, der mit Salatblättern ausgelegte Kalte Platten auf den Tisch stellt. Die üblichen Antipasti, kleine, runde Frikadellen und langweiliger Käse, dekoriert mit Scheiben von Obst. Die warmen Gerichte sind das Geschenk von T. und mir zum Dreißigsten eines lieben Menschen, und so bepinselt T. einen Rinderbraten mit Öl, ich hacke Schalotten, und zwischen lauter mitgebrachten Töpfen und Utensilien entsteht mein spezielles Risotto. Es ist das fetteste Risotto der Welt, aber das ist mir zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt.
Als die anderen Gäste eintreffen, wechsele ich für eine knappe Stunde noch einmal die Party. Zwei Parallelstraßen weiter, nahe Arkonaplatz, wird eine weitere Bekannte dreißig. Hier gibt es Becks aus Flaschen, Kartoffelsalat und Bockwürste, eine außerordentlich abstoßende Speise, und so schlendere ich zurück zu den selbstgefüllten Schüsseln und Schalen beim M.
Vorm Risotto spricht mich der Eisklotz an. Sie ist dünn, auffallend dünn, so dünn wie die dünnste Kellnerin im 103, und sie deutet mit einer Gabel auf mein Risotto. „Was ist denn da drin?“, werde ich gefragt, und gebe freimütig Auskunft. Arborio-Reis und Schalotten. Butter. Ich erläutere die Zusammensetzung, lasse Mascarpone, Parmesan, Gorgonzola und Hühnerbrühe nicht aus und befülle einen Löffel, den ich dem Eisklotz einladend über den Teller halte. Der Eisklotz zieht den Teller schnell weg.
Mit allen Anzeichen des Ekels, hochgezogener Oberlippe und krauser Nase spricht der Eisklotz die folgenden Worte: „Das ist ja wohl das fetteste Risotto der Welt.“, und als wäre dies ein hinreichender Grund, die Nahrungsaufnahme zu verweigern, wendet sich das Weib ab. Ich zucke die Schultern und esse das Risotto selbst.
Der Eisklotz muss die Information weitergegeben haben. Nach einiger Zeit kommt die C. zu mir. „Tust Du da wirklich….also, das ist wirklich das fetteste Risotto der Welt.“. Auf ihrem Teller liegt ein halbgegessener Klecks des cremigen Reisgerichts. Mitten im Prozess des Verspeisens muss die Information die C. ereilt haben. Der Klecks liegt traurig und halbverzehrt auf ihrem Teller und wird kalt. „Wenn ich fett esse, bekomme ich Pickel.“, höre ich von anderer Seite. „Ich vertrage so fettes Essen nicht mehr.“, spricht ein anderer Gast.
Als die Gäste nach und nach verschwinden, sitzen T., M. und ich in der verwüsteten Küche. Die noch halbgefüllte Schale Risotto erinnert mich an meine Niederlage im versehentlichen Feldzug gegen Größe 36 bei anderen Frauen, und langsam schiebe ich mir Löffel um Löffel der erkalteten und ziemlich festen Masse in den Mund.
„Das Risotto ist nicht so gut weggegangen.“, sage ich, und bin ein bißchen beleidigt. „Naja, Modeste“, sagte der M. „Das ist wirklich das fetteste Risotto der Welt.“
richtich FETT!
klingt herrlich, das risotto, klingt zum reinlegen!
erinnert mich an das mailänder risotto, das eine orgie aus reis, butter und rindermark ist…
hach!
ich kann nicht weiterschreiben, ich muss mir gleich mal was fettes kochen..
nur noch ganz kurz:
in münchen, anfang der achtziger, war das häuserwände besprühen etwas ganz doll böses. Eines morgens entdeckte mein schwesterherz an der mauer des miethauses, in dem sie wohnte , einen schriftzug: VIEL FETT UND VIEL SENF! stand da frech in neongrün.
wir konnten uns schon denken, wer das wohl war und freuten uns. Aber die freude dauerte nicht lange, denn der erboste hausmeister übermalte die bösen buchstaben mit wütender sorgfalt, sodaß sich ein breiter streifen mit frischer farbe längs über die hausmauer zog…
auf dem nach ungefähr zwei wochen schamfrist in munterer unentwegtheit : JETZT NEU: VIEL FETT UND VIEL SENF!
zu lesen war.
ein vergnügen!
mit freundlichen grüßen und viel fett und viel senf!
bundaf
REPLY:
Ein fettarmes Risotto gibt es nicht. Dann wäre es kein Risotto. Ich hätte sehr gerne von Ihrem gegessen.
REPLY:
Ah, Balsam – so etwas streichelt das gekränkte Herz einer verschmähten Köchin. Bei dieser Gelegenheit gebe ich gern auch einmal mehr eine private Lieblingstheorie zum besten, wonach es eigentlich keinen direkten Zusammenhang zwischen Leibesfülle und Ernährung gibt. Ich habe das in dieser Arena schon einmal vor einiger Zeit vorgetragen, scheine aber zu Unrecht nicht direkt auf Zustimmung gestoßen zu sein.
Was kann
man von Eisklötzen anderes erwarten.
Ich hätte auch zugegriffen, obwohl ich Gorgonzola nicht so mag.
REPLY:
Da hat man nun jahrelang versucht, Menschen nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen – und dann stellt sich heraus, dass überhaupt nur das Äußere zur Beurteilung wirklich geeignet ist. Mit Frauen, deren BMI ein gewisses Maß unterschreitet, rede ich ab sofort nur noch, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Ich kann mich sowieso an komplett überhaupt keine Begegnung mit sehr dünnen Frauen erinnern, die nicht irgendwie frustrierend ausgefallen wäre. Eine ganze Weile hatte ich vermutet, dass dieses Faktum das Ergebnis eigener Minderwertigkeitskomplexe wäre.Da wäre ich fast zu Weightwatchers gegangen, habe mir für das Geld dann aber doch Schokolade gekauft.
REPLY:
Nehmen Sie’s nicht so tragisch, Frau Modeste.
Es muss was dran sein an den Frauen…
Auch physisch. Denn das Hantieren mit Pinzette danach, zwecks der Spreisel in den Fingern, hat doch auch etwas unerotisches, finden Sie nicht?
Das Obst im Supermarkt kauft man ja auch nach dem Aussehen, und gerade dort gibt man sich mit den mickrigen, dürren Früchten nicht so zufrieden, oder?
Ich kann mich sowieso an komplett überhaupt keine Begegnung mit sehr dünnen Frauen erinnern, die nicht irgendwie frustrierend ausgefallen wäre.
Das merken Sie sich mal. Das unterschreibe ich gern. Ihr Risotto hingegen, wenn ich das so als anerkannter Käsebrotmann sagen darf, klingt fantastisch. Sollte ich noch mal meinen dreißigsten Geburtstag feiern, lade ich Sie ein.
„Arborio-Reis und Schalotten. Butter. Ich erläutere die Zusammensetzung, lasse Mascarpone, Parmesan, Gorgonzola und Hühnerbrühe nicht aus …“
frau modeste, ab sofort sind sie für mich die anais nin der kochkunst !
REPLY:
Moment bitte.
Dringend erwünscht – so es Sie nicht stört, Frau Modeste – das Rezept für dieses Risotto.
Und brechen Sie nicht gleich den Stab über alle mit kleinem BMI. Ich habe so einen, zähle NIEMALS Kalorien und lege großen Wert auf den sinnlichen Genuß beim Essen.
Für mich sind diese Eisklötze alle nicht ganz dicht. Und noch so ein kleiner Gedanke: Jemand, mit dem ich nicht mit Freude und Genuß essen kann, schafft es nicht in mein Leben und auf keinen Fall in mein Bett. Bin ich bisher gut mit gefahren.
P.S. Finde ich mich ‚mal zu was-auch-immer, lasse ich für eine Woche den Wein weg und esse ein bißchen weniger. Diese Kalorienobsessionen sind doch lebensfeindlich und unklug. Neurotisch.