Mein kleiner Cousin ist deprimiert. In der großen Pause hat er das verehrte Fräulein gestellt, bis hinter die Turnhalle ist er ihr gefolgt, hat ihr dortselbst sein Herz ausgeschüttet und einen Korb kassiert, der wohl nur deswegen so umfänglich wirkt, weil es eben der erste ist. Immerhin, und dass hebe ich telephonisch hervor, hat sie nicht auf seine individuelle Untauglichkeit als Dauerbegleiter abgestellt. Sie wünsche sich einen Mann, keinen unreifen Jungen, hat die Verehrte meinem Cousin entgegen geschleudert, und ich kann für das Mädchen nur schwer hoffen, dass sie sich diesen Wunsch entweder schnellstens abschminkt, oder sich in ihrem späteren Leben an einen Ort begibt, der sich keinesfalls dort befindet, wo ich meine Zeit mit annähernd dreißigjährigen Kindsköpfen totschlage.
Er werde sich nie wieder verlieben, klagt der Kleine, und ich ertappe mich dabei, mit den drei mittleren Fingerkuppen der linken Hand abwechselnd ungeduldig auf den Schreibtisch zu klopfen, während ich dem Kleinen versichere, sich mindestens dreimal erneut zu verlieben, bevor das Jahr zur Neige geht.
„Wann hast du dich das letzte Mal verliebt?“, stößt der Kleine zu. Treffer, denke ich. Versenkt. Und dass man Minderjährige nicht unterschätzen sollte. Ich grabe tief in meinem Gedächtnis, um schließlich festzustellen, dass der Zeitpunkt des letzten tiefsitzenden und drei Wochen überdauernden brennenden Interesses an einem gegengeschlechtlichen Mitmensch schon eine Weile her ist.
„Ich führe ja auch nicht gerade ein exzeptionell empfehlenswertes Dasein.“, entgegne ich mit dem Versuch, meine persönlichen Angelegenheiten aus der Schusslinie zu bringen und erläutere in einer gewissen Breite, dass jeder, der sich mein Leben als Leitstern wählte, einen folgenschweren Fehler beginge. „So wie du, will ich nie werden.“, jammert der Kleine. Ich auch nicht, denke ich. „Na dann viel Spaß auf der Suche nach stilvollen Alternativen.“, sage ich noch. Und dass ich mich nächste Woche wieder melde.
Herrlich, herrlich!
Wenn er sich für einen Künstler hält, nenne ihm Bobby Fischer als Beispiel. (Als Anregung oder aber zur Abschreckung).
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IQ 184 und kein bißchen weise. Das hat mich immer (etwas) getröstet.
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Auf keinen Fall will ich die Cousine von Bobby Fischer sein, und werde das mit allen erdenklichen Mitteln zu verhindern wissen. Ich glaube aber, die Kunst hat unterleibstechnisch mehr Aura als das Schachspiel, ansonsten würden die Jungs in den Bars von Mitte behaupten, aufstrebende Schachspieler zu sein anstatt von den Galeristen übergangene Künstler oder ungedruckte Schriftsteller. Der Kleine ist einfach zu romantisch, aber das gibt sich bestimmt mit der Zeit.
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Zum Schach gehört eben auch leider (meßbares) Können.
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So hat halt alles seinen ganz eigenen Pferdefuß.
Richtig so. Der kleine Racker. Den Kopf voller Ideen und das Herz womöglich auch. Wird Zeit, daß Sie ihn aufs Leben vorbereiten.
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Ob sich irgendwer auf Erden ausgerechnet mich als Ratgeberin in Herzenssachen aussuchen sollte, ist eine in gut informierten Kreisen durchaus umstrittene Angelegenheit, aber mehr Cousinen stehen da wohl nicht zur Verfügung, und für meine Schwester gilt die Dünne-Frauen-Regel. Immerhin ein interessantes Experiment, leider hört der Kleine ja eh nicht auf mich.