Zweifellos gehört die Vogue zu den tertiären Geschlechtsmerkmalen der Frau – selbst diejenigen, die die auf den werbegesättigten Seiten jener Postille zelebrierten Kleidungsstücke niemals anziehen könnten oder würden, sind in der Lage, auf Abruf unverzüglich Meinung über die Vogue abzusondern. Wen die Vogue kalt lässt, der hat wahrlich ein abgeklärtes Verhältnis zur äußeren Welt gefunden, um den man ihn beneiden darf.
Der Wechsel der Moden im Wandel der Zeit soll jedoch auch seine negativen Seiten haben. Insbesondere ein ganz wesentlicher Bestandteil des menschlichen Seins hat bisher noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden, und sogar die Vogue bleibt die Antwort auf die Bekleidungsfragen in diesem Zusammenhang schuldig: Ich spreche vom Tod. Genauer gesagt: Vom Begräbnis.
Als Mann hat man es leicht. Stilvoll verrottet der Herr im Gesellschaftsanzug, auch im schlichten dreiteiligen Anzug tritt der berufstätige Mann die Reise in die Unterwelt in seiner gewohnten Kluft an. Niemals jedoch möchte seine Gefährtin im Hosenanzug Lethe trinken. Wer sich im Kostüm beerdigen lässt, kann sich auch gleich in Jeans der Ewigkeit anheimgeben. Allein die minimale Chance auf die leibliche Auferstehung sollte jeden Gedanken an eine solche Gewandung verbieten.
Wer seine Bestattungsanordnungen nicht jedes Jahr ändert, dem wird aber auch die Vogue nicht weiter helfen, denn was dieses Jahr schön ist, wird in drei Jahren so abgegriffen sein, dass es unmöglich auch nur für einen Tag, geschweige denn für die Ewigkeit tragbar sein wird. Und wechselt man im Elysium eigentlich auch mal die Kleider? Oder legt man die Gewänder am Eingang ab und wandelt in griechischer Nacktheit durch die seligen Gefilde? Die mannigfaltigen Unsicherheiten von unser aller Zukunft gebieten äußerste Vorsicht in dieser delikaten Frage.
Als junges Mädchen hat man es auch leicht. Mit ungefähr 15 fabulierte ich mir etwas von elfenbeinfarbenen Empirebrautkleidern zusammen – allerdings kommt so langsam das Alter, in dem selbst eine lebendige Braut in der Auswahl ihrer Tracht vorsichtig werden sollte.
Und selbst für den Fall, dass dem Dunkel kein strahlender Morgen nachfolgen sollte – wer möchte dermaleinst durch einen unglücklichen Zufall naturmumifiziert schlecht angezogen über Jahrzehnte in einem Glaskasten zukünftiger Museen liegen, versehen mit einem hämischen Kommentar über die Kümmerlichkeit der Grabbeigaben und der armseligen Gewandung dieser bestimmt besonders unbedeutenden Leiche.
Das ist der Nachteil der Erdbestattung. Als glühendem Anhänger der Feuerbestattung ist mir egal, worin dereinst mein Fett brutzelt.
(Ich muß nur noch testamentarisch regeln, daß ich in einem dadaistischen Begängnis die Toilette hinuntergespült werden will. Natürlich stilecht-antiquiert mit Zugkette. Und in guter alter Dada-Tradition mit „Savon Cadum“-Werbung am Wagen, und Leuten, die hüpfend hinterhereilen.)
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Nicht ganz ohne Risiko, Verehrtester. Was, wenn an der leiblichen Auferstehung doch mehr dran sein sollte, als man algemein denkt? Dürfte ziemlich lange dauern, bis man alle Partikel aus der Kanalisation wieder zusammengefischt hat.
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„…als glühendem Anhänger der Feuerbestattung…“
oh, wie schön!
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Die Frage, die sich stellt…
…lautet doch, ob man wirklich nochmal all das durchmachen möchte, was sich Leben nennt?
Wenn an der Auferstehung was dran ist, dürften sich einige Suizidale dämlich vorgekommen sein, als sie bemerkt haben, dass es weiter geht.
Nein, ich für meinen Teil hoffe, dass ein Ende auch ein Ende ist – auch, wenn dieses hier im Jetzt auch wieder ein Anfang sein kann.
Grüße
http://mondkussl.antville.org
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Liebe Modeste, wenn Auferstehung bedeutet, daß ich in dieser Form wiederkomme, dann verzichte ich dankend. Immerhin ist der Tod bei Cyrano ein Erlösungsmotiv. Und alle Heilslehren, mit denen ich je meine kostbare Zeit verschwendet habe (also den intelligenteren und plausibleren), sprechen auch dagegen.
Aber für den Fall, daß ich Sie je beweinen müßte, plädiere ich dafür, daß meine heißen Tränen ein schlichtes aber erlesenes Empire-Kleidchen benetzen dürfen. Auguste B., und so.
Mixen Sie. Nehmen Sie Ann Demeulemeester, Yamamoto, Dries van Noten, Miyake, alles kurz, lang, kurz, lang gezwiebelt. Die Sachen wirken neu schon so, wie aus einem Mülleimer am Central Park gezerrt, das schaut dann auch nach längerem Warten auf Armageddon und Auferstehung todschick aus. Ich halte es genauso.
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Katholiken können sich übrigens nicht verbrennen lassen, zumindest klappt das dann mit der Auferstehung nicht. Das Zusammenpfriemeln der Moleküle ist Gott zu viel Arbeit.
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Es gibt da eine US-Bloggerin, der die Eltern von Tattoos und Piercings abgeraten haben, da man sie sonst nicht auf dem jüdischen Friedhof beisetzen würde. Sie rief dort an und erfuhr: alles gelogen.
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In der Schweiz
können sich seit einiger Zeit Katholiken verbrennen lassen. Warum? Zuwenig Platz auf den Friedhöfen?
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Zuwenig Platz für die heldenhafte Schweizer Armee, um Manöver und Schießübungen abzuhalten.
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Warum keine Einäscherung von Katholiken?
Ich denke, Gott ist politisch neutral. Wenn er die Katholiken nach der Einäscherung zwecks Wiedergeburt zusammensetzen müsste, wären die ja von Anfang an schwarz. Wie sollte dann die SPD in Bayern Bestand haben? ;o)
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Bayrische SPD-Anhänger sind bekanntlich suizidal. Die werden ohnehin in ungeweihter Erde begraben.
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Meine Güte – Ihre Gedanken beantworten mir die Frage, an der ich schon immer knabbere: Warum heiraten die Menschen? Jetzt weiß ich: Natürlich um ein passendes Sarg-Gewand zu haben! Denn selbstverständlich ist der Anzug, den sie an männlichen Sarginsassen beschreiben, mal ein Hochzeitsanzug gewesen. Und Frauen werden in ihrem Brautkleid beerdingt. Zumindest im Südestdeutschen gehören die Geschichten von hinten aufgeschnittenen Brautkleidern (weil natürlich kaum ein Mensch im Alter noch seine Jungmädchen-Figur hat) zum Kanon.
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Ganz feist
Wie wärs denn mit Pyramide und Mumifizierung? Lange nicht mehr gemacht,
aber gut, um sich selbst ins Gerede zu bringen. Fürs Berliner Klima wäre statt
Kalkstein Granit angesagt.
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Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie eine Berliner Pyramide, sagen wir einmal mitten auf dem Falkplatz, nach ein paar Monaten aussehen würde. Dazu die miese Bauwirtschaft, das ganze Ding von oben bis unten voller Baumängel, Risse im Putz, unzulängliche statische Berechnungen etc. pp. Vermutlich fängt das Ding dann unmittelbar nach Ablauf der fünfjährigen Gewährleistungsfrist an, ganz extrem zu bröseln, und irgendwann macht sich dann die heimische Jugend einen Spaß daraus, mich aus den Leinentüchern zu wickeln.
Vergraben ist schon ok.