Über Blogs reden

So furchteinflößend, wie befürchtet, wird es nicht. Die Herren sind locker, es wird gelacht, und nach einer Weile steht mir nur noch das schwarze Mikrophon vor Augen, und nicht mehr die Massen an Zuhörern, die vor dem Radio hängen und sich gar schreckliche Fragen ausdenken, die ich alle nicht beantworten kann. Ohnehin, so fällt mir auf, kann ich über Blogs eigentlich nicht viel Allgemeingültiges sagen, und dann denke ich noch, dass dieser Moment der vermutlich falscheste Moment überhaupt ist, um zu sagen, dass ich über Blogs eigentlich gar nicht reden kann:

Online-Tagebücher sind die meisten Blogs nicht, und von den Guten, die ich gerne lese, keines wirklich, auch wenn sie manchmal so daherkommen. Der manchmal beschworene Graswurzeljournalismus ist mir herzlich egal, wichtig mag das alles sein, aber es interessiert mich nicht, und stimmt für keines der Blogs, die ich mag. Völlig fremd ist mir auch der Community-Gedanke. Von der Idee, einer wie auch immer gearteten Community anzugehören, bekomme ich auf der Stelle einen eitrigen Ausschlag, der nicht mehr weggeht, und die Bekanntschaften im Netz unterscheiden sich in meinen Augen nicht von beiläufigen Begegnungen nachts an der Bar, oder von Fremden, die einem fünf Sekunden in der U-Bahn in die Augen schauen, jeden Morgen, und irgendwann lächeln.

Ein Blog kann Radio sein. Oder ein Kaffeehaus. Es kann Punkrock sein, ein Spaziergang durch einen dunklen Park, eine laute Party mit Flaschenbier und Matratzen, um sich zu küssen, ein Protokoll oder auch eine WG-Küche, in der ein paar Studenten Pizza essen und über Technik reden.

Das Blog aber, das Blog an sich, ist nichts als eine weiße Leinwand, ein Schulheft, eine ortlose Wand in diesem unkörperlichen Netz aus Elektrizität, das uns unheimlich wäre, wenn wir häufiger darüber nachdächten. Flüchtiger als jedes andere bekannte Medium sind diese scheinbaren Wohnzimmer aus elektrischen Signalen. Nichts als schnell verwaschene Spuren hinterlassen wir, gleich Spaziergängern, die mit nackten Füßen das seichte Wasser durchwaten. Und dieses schnelle Verschwinden einer Angelegenheit, die vielleicht nicht gerade Werkcharakter tragen mag, in die aber inzwischen nicht wenig Lebenszeit eingeflossen ist, bedaure ich nicht. Die Flüchtigkeit des Mediums gehört vielmehr zu denjenigen Umständen, die ich schätze und in denen ich mich auf sonderbare Weise heimisch fühle, weil sie mir vertraut erscheinen, seltsam verwandt dem eigenen Leben durch Umstände, über die ich heute nicht und meistens auch nicht anderen Tagen nachdenken mag.

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Treehuggin´pussy
hat so schön aufgeschrieben, was alles gesprochen wurde, da erübrigt sich der deskriptive Teil des Berichts von selbst.

15 Gedanken zu „Über Blogs reden

  1. REPLY:

    Kein Werkcharakter, eine eher flüchtige Angelegenheit, kein hochgehängter Anspruch…

    Also, verehrteste Modeste, wer „eine ortlose Wand in diesem unkörperlichen
    Netz aus Elektrizität“ schreibt, begeht so etwas wie konkrete Poesie. Es mag ja sein, dass
    Du an Dich selber und Dein Blog nicht den entsprechenden Anspruch hast, aber de facto
    ist es eines der literarischsten deutschen Blogs. Und Deine Schreibe ist richtig gut!

    @ Community: Als ich den Begriff in der Diskussion gebrauchte, meinte ich keine soßig
    zusammenklebende Clique, sondern nur eine Gesamtheit von miteinander in irgendeiner
    Form via Weblogs kommunizierenden Individuen, nicht mehr als das. Und ganz ohne
    ein klammerndes „Wir“, eher so:
    http://girl.twoday.net/stories/665997/

  2. Einerseits

    fand auch ich es schade, so wenig von dieser schönen Stimme zu hören,
    andererseits bist Du deinem Nick „Modeste“ doch nur gerecht geworden.
    Er ist eben das Gegenteil von Rampensau.

  3. REPLY:

    ich denke, frau m. weiß durchaus um ihre hier präsentierte literarische qualität. (’schreibe‘ kann ich allerdings beim besten willen nicht dazu sagen.) ebenso wird jedoch die immer wieder postulierte anspruchslosigkeit seine richtigkeit haben.
    ob sich madame allerdings ihres weitgehend schlummernden potentials bewußt ist…? 10-20% werden hier sichtbar, allerhöchstens. schätze ich.

  4. schöne worte, frau modeste. und – meiner ansicht nach – zutreffende.

    ich wehre mich ‚mitglied‘ einer wie auch immer definierten web-‚community‘ zu sein. webloggerInnen-community. grauslich. da bleibt nur das davon-laufen!

    davon unabhängig können sich jedoch sehr, sehr nette ‚freundInnen-kreise‘ bilden, die irgendwann den schritt vom virtuellen ins reale wagen (oder bereits gewagt haben).

    im übrigen finde ich all die selbstbeweihräuchernden bloggerInnen-diskurse für schmach-fu!

  5. Hallo du…

    …Ich bins, die Wienerin, die da gestern angerufen hat. War echt interessant die Sendung. Ein bisschen wirr zeitweise, aber echt okay. Was ich sagen wollte: einen schönen blog hast du da. Ich werd jetzt öfters mal vorbeisehen. liebe grüße aus wien! http://www.20six.de/numen

  6. REPLY:
    Neusprech

    Welchen Inhalt eine Vokabel wie „community“ für wen hat, ist nicht über einen
    Leisten zu scheren. Als New-Economy-Veteran bin ich sicherlich, auch von der
    Terminologie her, vorbelastet, aber die Begriffe „community“ und „freundInnen-
    kreis“ sind für mich absolut austauschbar.

  7. REPLY:

    Mehr sagen hätte ich sollen? Sie machen mir Spaß! Ist ja nicht ganz einfach, so als hasenfüssige Amateurin, die sich vor Aufregung fast überschlägt. Und die Herren kennen sich alle mit dem Medium aus und haben sich über´s Bloggen ja auch weitaus mehr Gedanken gemacht als ich, die ich ja schon die technischen Möglichkeiten in meiner kleinen Seifenoper nicht ausreize, und die sich für die ökonomischen und kommunikationswissenschaftlichen Auswirkungen des Bloggens auch schlicht wenig interessiert.

    Für Komplimente bin ich aber natürlich immer zu haben. Und schön, dass es Euch hier gefällt. Um dieses Blog unter einen Literaturbegriff zu subsumieren, meine Damen und Herren, muss man diesen aber schon enorm weit fassen. Ich erzähle Geschichten. Kunst ist was anderes. Und ob ich das kann – wir werden´s nicht erfahren.

  8. REPLY:

    ich bin nicht immer sicher, ob die herren tatsächlich mehr wissen, nur weil sie mehr reden. es hätte mich auch gefreut, mehr von frau modeste zu hören, denn deren inhalte haben mich mehr interessiert als plattformen und so nen kram.

  9. REPLY:

    Mir geht’s da so wie Meike.
    Es ist immer interessant zu hören, welche Motivation jemand hat, ein Blog zu benutzen, was es für ihn bedeutet und was er so über’s Umfeld zu berichten weiß. Besonders wenn die Person auch noch so eine angenehme Stimme hat. *_*

    Und ob’s man’s nun Literatur nennt oder nicht, erstklassig ist’s auf jeden Fall.

  10. Ein Blog lesen ist…

    …wie ein Flirt in der Disko. Oder wo auch immer. Ein kurzer Blick. Kurz quatschen. Mal wird eine Beziehung für die Ewigkeit draus. Mal eine Freundschaft. Mal ist es nur Inspiration.

    Persönlich schön finde ich das kein Mensch weiss, ob ich in seinem Blog (und damit in seinem Leben) gestöbert habe. Das macht es irgendwie authentisch.

    neels_ http://www.spuerhun.de

  11. REPLY:
    Der „hasenfüßigen Amateurin“ ins Stammbuch

    Oh Frau, Du hast ein Bild von Dir, dass mich Kopfschütteln macht!
    Was macht Dir Lampenfieber in der Gesellschaft von Johnny, Holgi und Don?
    Also, jetzt mal ganz dick: Du bist eine hochintelligente schöne Frau mit
    einer wunderbaren Stimme, die in ihrem Blog stilistische Perlen produziert, wie
    ich sie nie hinbekommen würde. Und ich bin hauptberuflicher Texter, Journalist
    und Autor, der wiederum von Anderen für seinen Stil bewundert wird. So, ich stell´
    Dir jetzt noch ´nen Strauß virtuelle Blumen dazu.

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