„Kann ich bei dir waschen?“, fragt der geschätzte ehemalige Gefährte, und ist zwanzig Minuten später bei mir mit einer großen Tasche voll mit weißen Hemden. „Wie war´s Wochenende,“ fragt er und stopft seine Hemden in die Wäschetrommel. „Viel unterwegs,“ sage ich und biete Tee an. Als wir uns, den Tee in der Hand, gegenüber sitzen, fragt er nach: Es stünde ja noch eine Geschichte aus. „Ach ja.“, sage ich. Die polnische Reise:
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Von Warschau nach Krakau
Jeder kennt Hotels, die geschaffen sind für die möglichst triste Inszenierung des eigenen Ablebens, Kulissen des schlechten Gewissens für jene, die uns Stunden warten lassen, allein zwischen durchgelegenen Matratzen und fleckigen Wänden. Mit kaltem Tee in einem großen Krug, ein bißchen Gebäck aus der Tüte und ein paar schrecklichen Büchern, die andere Gäste im Hotel gelassen hatten, ließ der Tag sich herum bringen, und am Abend stand R. in der Tür.
Warum R. nach einem wahrhaft dramatischen Abschied sich überhaupt dazu hinreißen ließ, auf ein simples Telephonat zum Bahnhof zu fahren, und ganz allein zwanzig Stunden nach Osten zu fahren, ist mir bis heute unbekannt. Allein, er fuhr, und zerstritten mit J²., nach Stunden missgestimmten Brütens, fiel ich dem erschöpften, unrasierten R. um den Hals, und für ein paar Stunden, wenige Stunden nur, war alles gut.
„Lass uns ein bißchen umschauen.“, sagte der R. am nächsten Morgen. „Ich mag Warschau nicht.“, sagte ich, und bestand auf sofortiger Abreise.
Von Krakau nach Misdroy
Die Schönheiten Krakaus anzupreisen ist nicht meines Amtes, auch wenn es viel zu preisen gäbe zwischen Wawel und Hauptmarkt, das Zimmer in der Slowackiego war charmant und sauber, und das Essen erwies sich als fett, üppig und entsprechend nervenberuhigend. Tagsüber erklärte mir R. alle Baudenkmäler anhand eines Dumont-Kunstreiseführers, und ich ging eine Menge zu Fuß. – In der Kirche der Heiligen Anna stand J². und strich um die Altäre.
„Was machst du denn hier?“, gehört sicher schon seit Generationen – ach: Äonen – zu jenen Redensarten, die auch unter den Theaterautoren der sehr leichten Muse verpönt sein dürften. Zu banal sind jene Zufälle, die bekannte Gesichter an fremden Orten zusammenführen. Die Realität indes, grinsende Schmierenkomödiantin, schert sich nicht um Geschmack und Sitte, und so war J² nur einen Tag nach uns von Warschau aufgebrochen, um der wahren Schönheiten Polens teilhaftig zu werden.
„Ist euer Hotel in Ordnung?“, fragte J²., ich bejahte, und noch am selben Abend bezog J². gegen geringen Aufpreis die Couch im angemieteten Zweibettzimmer. Am nächsten Nachmittag schon flogen die Fehdehandschuhe scheppernd durch die Luft, R.´s Konventionalität, J².´s Egozentrik und alle meine Launen stapelten sich auf dem Schreibtisch, und das einzig wahre Wort des Tages rührte nicht von mir her: „Ich hasse euch.“, sagte R. und verschwand. Müde, verschwitzt und zerkratzt erschien er am nächsten Morgen. – Wir nahmen unser Besuchsprogramm wieder auf und stritten uns erst abends.
„Ihr seid scheußlich!“, sagte J², auf seiner Couch liegend, und blätterte in einem Ausstellungskatalog. „Wir könnten so einen herrlichen Urlaub haben. Es ist großartig hier.“ – R. starrte an die Decke und machte einen mehr als nur strapazierten Eindruck. Die Reise schien ihm nicht zu gefallen.
„Wir sollten an die See fahren.“, schlug ich vor, denn es ist bekannt, dass Kunstdenkmäler durch das ihnen eigene hohe Maß an Verfeinerung ein nervöses, verschlungenes Odeur an ihre Rezipienten weitergeben, wohingegen das Meer die Nerven beruhigt. „Misdroy“, sagte der R., der sich auskannte, und zu dritt erwarben wir eine Fahrkarte und verließen Krakau am nächsten Tag.
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„Ich muss los.“, sagt der geschätzte ehemalige Gefährte, und erwähnt missmutig Termine am frühen Morgen. „Bis bald“, sage ich. „Ich komme die Hemden über die Tage mal abholen.“, sagt er, und bittet um Fortsetzung. „Der Rest ist langweilig.“, sage ich. „Erzähl´s trotzdem.“, sagt er, und winkt die Treppe hinauf, die leere Tasche über der Schulter.
Ja, erzählen Sie es unbedingt trotzdem.
Was den Herrn R. auf ein simples Telephonat hin nach Warschau hat reisen lassen, ist wohl nicht schwer zu erraten.
Was Sie und Herrn R. allerdings bewogen hat den J² mit auf Ihr Zimmer zu nehmen, bleibt mir unerklärlich.
… jene, die uns Stunden warten lassen, …
komisch, irgendwie erinnert mich das an etwas, an jemanden. 😉
REPLY:
Was heißt hier simples Telephonat? Zwei, drei Frauen gibt es, denen
würde ich auf ein simples Telephonat hin auch nach Kairo oder Prizren
nachfliegen, selbst wenn Eine der Selbigen ihrerseits die Eigenschaft
hat, mich stundenlang warten zu lassen.
Was für eine amüsante menage a trois. Wäre es ein Singspiel, würde in der Beschreibung des Libretto stehen: „Opera buffa in 3 Akten“ – und in der Zeitung der Kommentar: Eine heitere Dreieckskomödie.
So manchmal denkt man, daß auch ein Ridley Scott niemals ein Roadmovie dieser Sorte so gut in Szene setzen könnte. Oder um ein ebenso verpöntes Zitat der Schreibergilde aufzugreifen: „Wie das Leben so spielt …“
Die zwei wichtigsten Fragen, die sich dennoch stellen, sind a) Was verleitet einen Menschen nach der Aussage „Ich hasse euch“, eine gemütliche Strandtour zu unternehmen und b) woher hatte der gute so schnell einen DuPont-Reiseführer?
Fragen über Fragen …
REPLY:
Oh, beide Städte sind gar nicht so schlecht. In Prizren kommt man zudem mit Deutsch sehr gut durch.
Mir würden da etliche andere Orte einfallen, in die zu reisen ein wenig mehr Überwindung erfordern würde. Aber das hängt, natürlich, von der Dame ab. Insofern wundert mich das da oben alles nicht wirklich.
Echt finster. Ganz ganz finster.
Nun mach ich mir Gedanken, wie das Leben schoen waere: lossless and fussless. vielleicht.
Frau K.katze: Nur mal so am Rande möchte ich nur noch einmal anmerken, zum zeitpunkt der Reise mit keinem der beiden Herren ein in irgendeiner Weise amoureux gefärbtes Verhältnis unterhalten zu haben. Den J² auch in dem wirklich netten Zimmer unterzubringen, finde ich vor diesem Hintergrund gar nicht so sonderbar.
Was das Zuspätkommen angeht, Frau Engl: Ich tu´s nie wieder. versprochen. Zumindest bei Dir.
Ob ich selbst imstande wäre, irgendjemandem nach Prizren hinterzufahren, kann ich gerade, Herr Che, nicht so beurteilen. Kairo indes hat einen festen Platz auf meiner Liste von Städten, die ich nie wieder besuchen werde. Aber wer würde das schon von mir verlangen…
Herr 40something, Du bist ein wahrer Frauenkenner, und natürlich ist die ganze Geschichte überhaupt nicht erstaunlich. – In welchen Metropolen dieser Welt endet denn Deine Leidensfähigkeit?
Ach ja – Herr Stimme – Reiseführer gibt es doch in jeder guten Bahnhofsbuchhandlung. Und ein knackiger, aber folgenloser Hassanfall gehört doch zum Seelenrepertoire jedes temperamentvollen Menschen, und selbst trägere Exemplre raffen sich manchmal dazu auf.
REPLY:
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ich liebe Kairo, Prizren kenne ich nicht.
Es gibt Frauen, denen würde ich überall hinterherreisen, solange die Reise
bezahlbar ist, wenn also ******* mit flehentlicher Stimme sagt „Bitte nimm den
Frachtflieger nach Murmansk!“
(oder Tanegashima oder Soweto oder Dalan Dzadagad), würde ich das tun.
@ Strandtour: Ich hatte es schon, dass eine Frau, mit der ich gemeinsam urlaubte
(ohne etwas mit ihr zu haben), in eben diesem Urlaub mit mir ein Gespräch über
eine gemeinsame Bekannte führte, mit der ich mal einen Onenightstand hatte.
Meine Miturlauberin meinte nun, dass sie diese Frau für eine mannstolle Schlampe
hielt, und begründete das so: „Eine Frau, die anlässlich einer Party ausgerechnet
mit Dir ins Bett geht, muss es ja schon sehr nötig haben!“, und sie verstand nicht,
dass ich deswegen beleidigt war. Wir haben dennoch noch einen sehr schönen
weiteren Urlaub zusammen verbracht. Für manche Sachen ist es gut, die nötigen
Nerven zu haben – bedarfsweise hochsensibel oder dick wie Kabeltaue. Am Besten
wäre, das ließe sich bedarfsweise an- und abschalten.
REPLY:
Nicht amoureux sind die Verhältnisse also, verstehe das könnte Klarheit in die Motivation bringen. Aber woher kommen dann die aufgewühlten Emotionen des Herrn J² und die plötzliche Reiselust des Herrn R.?
Kann es sein, dass die Herren zumindest ein romantisches Verhältnis erträumt haben?
REPLY:
One knackige, folgenlose Hassanfälle hätte ich ja noch alle Tassen im Schrank,
d.h. alles Geschirr, das ich zur Konfirmation bekam, wäre noch heile.
Wie langweilig!
REPLY:
Frl. Modeste, dummerweise war ich auch ohne weibliche Aufforderung schon in zu bedrückenden sog. Metropolen, um darauf eine unvoreingenommene Antwort geben zu können.
Sagen wir mal so: Nach Mogadischu muss ich nicht unbedingt wieder.
REPLY:
von wegen zu spät kommen: eigentlich hatt ichs ja schon längst vergessen. das kommt davon, wenn man derart hemmungslos publiziert. 😉
REPLY:
Frau Katzes Frage stellt sich mir auch, zumal die verehrungswürdige
Modeste ganz sicherlich das eine oder andere Männerhirn zum Schwärmen bringt.
Mir macht etwas ganz anderes Sorgen: Der „geschätzte ehemalige Gefährte“.
Männer ohne Dingens, ähm, Männer ohne eigene Waschmaschine sind mir extrem suspekt! Man(n) muß sie nicht unbedingt bedienen können, aber haben, haben muß man eine. Ohne geht doch sowas von gar nicht.