Alles Verzweifeln, Sehnsucht und wer hofft

Vor dem Aufwachen kommt er noch manchmal, um mit mir zu kämpfen. „Was willst du noch hier?“, frage ich ihn, dem die Zeit weiße Stellen auf den Körper gebrannt hat, Leerstellen der Erinnerung. „Wir haben uns doch nichts vorzuwerfen.“, sage ich dann, und weiß, das ist gelogen.

„Ich habe dich vergessen.“, sage ich ihm, und er kämpft wortlos weiter. Das starke, dunkle Haar weiß ich noch, das der andere auch hatte, der weinte und schrie und sein Examen drangab, seine Sachen packte, mitkam um den halben Erdball und in eine fremde Stadt, und schließlich gewann. „Ich hab´ dich nicht geliebt.“, sage ich dann noch, damit er wieder verschwindet in die Katakomben, in die ich selten gehe. „Das stimmt nicht.“, sagt er, und ich erinnere ihn an die beiläufigen, dahingeplauderten Mails, die er gelöscht haben wird, vielleicht. „Komm nicht wieder.“, sage ich, und weiß, dass dieser Abschied nicht so einfach sein wird wie das drei Minuten währende Telephonat, die blonde Freundin an der anderen Seite des Tisches, die irgend etwas sang, mit den roten Stiefeln wippte, und mit mir ausging eine ganze bitter kalte Nacht, um ihn in Wein und Wodka zu ertränken.

„Das ist so lange her.“, sage ich ihm, damit er loslässt, und beiße ihn weg.

Aus den offenen Wunden fließen kaltes Blut und schwarze Galle in meinen Mund.

3 Gedanken zu „Alles Verzweifeln, Sehnsucht und wer hofft

  1. Kurz vor Sonnenaufgang, wenn die Nacht am kältesten ist, so heißt es, wühlen sie sich empor. Die schwarzen Gedanken, die kalten, bezahnten Würmer der Erinnerung. Manchmal schrecke ich hoch, noch vor der Zeit, und versuche einen weghuschenden Schatten zu fassen. Bloß, um ihn endgültig zu erschlagen. Denn da haben Sie völlig recht: Diese Abschiede sind nicht einfach. Und nicht mal einfach so.

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