Pro domo

Geht es in jenen Medien, die sich mit gefurchter Stirn und grauen Bärten um den Zustand der Nation sorgen, einmal um Blogs, so fehlt selten ein Seitenhieb auf jene Teile der Blogosphäre, die sich hartnäckig weigern, ernsthafte Schicksalsfragen der Zukunft ins Internet zu posaunen, Fakten zu verbreiten, und überhaupt nichts weiter tun, als mit ihren Befindlichkeiten das Internet zu verstopfen. Ein herablassender Unterton des „Das interessiert doch keinen“ schwingt da gerne einmal mit, ein Bedauern, dass die Blogosphäre nicht lauter privat betriebene Miniaturausgaben der etablierten Presse hervorbringt, deren Postings Nachrichtenwert besitzen und Meinungen feilbieten. Das Schlagwort des „Graswurzeljournalismus“ demonstriert nicht schlecht, wie das Wunschblog jener Herren auszusehen hätte. – Dass dagegen irgendwelche dahergelaufenen Privatpersonen auf die Idee kommen, mit völlig irrelevanten Mitteilungen über den Verlauf ihrer Dates, die Erfolglosigkeit ihrer Diäten oder merkwürdigen Ereignissen in ihrem Freundes- und Familienkreis die Öffentlichkeit zu suchen, wird im besten Falle mitleidig bis gönnerhaft belächelt, im schlechteren Fall als Abart jener Gesellschaftskreise betrachtet, welche sich in Talkshows über ihre Gatten beschweren oder ihre Nachbarn beschimpfen. Ernstzunehmende Leute, so scheint es, haben sich für den Bundeskanzler zu interessieren, für die Zukunft der Rente, das Schaffen der Dichter und die technischen Probleme, die im Zusammenhang mit der Benutzung von Personalcomputern auftreten können.

Tatsächlich interessieren sich Menschen aber nur eingeschränkt für Kanzler, Rechner und Renten. Das neue Vordach der Nachbarn dagegen interessiert die Nachbarschaft brennend. Die ehelichen Probleme der Verwandtschaft, der Keuchhusten der Nichte, der Autounfall des Kollegen und der peinliche Verlauf eines romantischen Abends des Cousins des Kollegen, den der Zuhörer gar nicht kennt. Die Frisur der Kanzlerkandidatin und nicht ihr Programm. Das Liebeslebens Schillers oft mehr als die Xenien. Und nur der wird dieses Faktum bedauern, der nicht zu konzedieren bereit ist, dass das Leben der Menschen nur zu einem geringen Teil aus jenen Teilen besteht, über die die Verfasser besorgter Leitartikel sich verbreiten.

Schön, würden jene Herren zugeben. Aber muss man, so höre ich förmlich die Fortsetzung, dieses Interesse einen öffentlichen Niederschlag finden? Aber meine Herren, würde ich dann sagen, genauso, wie jede Zahnarztgattin ihre Bilder im Kaffeehaus ihrer besten Freundin feilbietet, wie jede Feierabendband ab und zu auf dem lokalen Schützenfest aufspielt, so soll auch der Dilettant, der die Ereignisse seines Lebens nicht in der geadelten Form der Literatur feilbietet, sondern in der kleinen Münze der Unterhaltung, sich mitteilen können. Öffentlichkeit als demokratische, nicht pädagogische Struktur bedeutet eben auch, dass der Leser sich aussuchen kann, ob er Zeit und Aufmerksamkeit hier oder woanders verbringt.

Als bekennende Trivial- und Befindlichkeitsbloggerin freue ich mich über jeden einzelnen Leser, der mir, meinen Diäten, meinen Streifzügen durch Bars, Clubs und Bibliotheken oder meiner vergeblichen Suche nach dem Mann für´s Leben oder zumindest für den Sommer 2005 Interesse entgegenbringt. Ebenso, wie ich am Kaffeehaus Geschichten erzähle oder weitererzähle, möchte ich auch in diesem Blog unterhalten, wie ich in anderen Blogs unterhalten werde. Und es behaupte einer, ihm sei dieses Vergnügen an den Begebenheiten des Alltags fremd, das sich, nur gepuderter, vielleicht geschönt und sicher konfektioniert in jeder Fernsehserie findet und in jedem Roman nicht minder.

Wem es aber gefällt in meinem kleinen virtuellen Wohnzimmer auf der Bühne meiner Existenz – wer dazu noch das Rheinland bewohnt und am 4. September abends Zeit hat:

Der kann dem Herrn Bandini und mir zuhören kommen, wenn wir im Theaterkeller Neuss aus unseren Blogs lesen.

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24 Gedanken zu „Pro domo

  1. Immer

    schön trivial und befindlich bleiben und bitte recht wenig auf die Gutmenschen und Anspruchsjunkies geben.Viel Spaß beim Lesen-mir wäre etwas der Reiz genommen,so Aug in Aug.

  2. REPLY:

    Ja, kann natürlich sein, ich verliere auf Schlag die Hälfte meiner Leser, sobald ich mich mal der Öffentlichkeit präsentiere. Unendliche Eitelkeit, und die Tatsache, dass die Lesung beim Spreeblick so einen Spaß gemacht hat, verführt mich aber dazu, mich und meine Texte trotzdem dem interessierten Publikum zu präsentieren.

    Ich freue mich über jeden, der kommt.

  3. „Jene Medien“ vergessen gerne eine Kleinigkeit: Blogs drängen sich nicht auf. Sie verstopfen (was auch immer das bedeuten soll) nicht automatisch „das Internet“. Blogs sitzen erst einmal passiv auf einer Festplatte rum. Erst wenn Leser kommen und bleiben, entsteht eine Öffentlichkeit.

  4. Werte Modeste,

    schon die Lesung im Spreeblick hat die Zahl der Fans dramatisch erhöht (mindestens um mich), und warum sollte das in Neuss anders sein? Wenn etwas zu bedauern wäre, dann nur die Tatsache, dass ich es am 4. September mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nach Neuss schaffen werde.

    Was ich aber bewundere: Den Mut. Den Mut, ausgerechnet an dem Abend, an dem sich die Nation auf vier Fernsehkanälen weitgehend gleichgeschaltet dem Duell der Kanzlerkandidaten widmet, ein wunderbares Kontrastprogramm zu bieten…

  5. REPLY:

    An sich, Herr Gibsmir, ist es mir eigentlich einigermaßen egal, was irgendwelche alten Männer von mir denken. Dieses genierte Herumgerede, Blogs seien an sich eine großartige Sache, wenn doch nur erst diese privaten Befindlichkeitsmädchenblogs endlich dichtmachen würden, und statt dessen lauter großartige Blogs aus dem Netzboden schössen, die sich so ernsthaften Themen wie Gott, dem Kanzler und der Computervorenbekämpfung widmeten – das ist ein bißchen ärgerlich.

    Was, Herr 40something, diese Fernsehgeschichte angeht, stand ja noch nicht einmal die Neuwahl zur Debatte, als die Lesung geplant wurde. Ich mache mir da aber gar keine Sorgen – wer, der die Wahl hat, wird Angela Merkel mir vorziehen?

  6. REPLY:

    Modeste ist ja wohl die deutlich attraktivere Frau. Also wer dafür nicht den Fernseher ausgeschaltet lässt und nicht nach Neuss eilt (unter 200 km gibt es keine Ausrede), den verstehe ich nicht. Naja und ich, die Damen haben doch vom Kanzler eh die Nase voll, da können sie auch mir, dem zukünftigen Kanzler zuhören.

  7. <a href=“http://www.theaterkeller-neuss.de“><img width=“160″ height=“120″ title=““ class=“center“ align=“center“ src=“http://twoday.net/static/modeste/images/button_modeste_bandini.gif“ alt=““ /></a>

    ;o)

  8. REPLY:

    Ach, nun seien Sie nicht so bescheiden. Ohne die Hilfe netter Leser würden dieses Blog ziemlich schlimm aussehen, ich bin doch ein Ausbund technischen Unverstandes und sogar für Selfhtml zu dumm.

  9. REPLY:

    Lieber Moccalover, da empfehle ich doch eine Fahrgemeinschaft mit chaetzle.twoday.net. Die kommt grob aus deiner Ecke und überlegt schon.
    Das Kompliment für das Bild geht natürlich einzig und allein an Modeste. Da sollte sie nicht wieder so bescheiden sein.

  10. Aus Neuss, nach Neuss und um Neuss herum

    Dieser wohnt angeblich zu weit weg, jener noch woanders – und so frage ich mich, wer überhaupt in Neuss wohnt und kommt. Oder zumindest im Rheinland. Habe ich, frage ich mich, vielleicht gar keine rheinländischen Leser? Liegen die in diesem Salon dahingeplauderten Petitessen dem rheinischen Gemüt vielleicht völlig fern? Gibt es ein Leserloch zwischen dem Ruhrgebiet, wo eine meiner Lieblingsleserinnen über den Server der Uni-Essen den Weg findet, und dem süddeutschen Raum, wo laut Sitemeter gleichfalls einige Leser vor ihren Rechnern sitzen.

    Meine lieben Neusser – sind Sie irgendwo da draußen?

  11. REPLY:

    Also, liebe Modeste, wenn es nicht Neusser Leser gäbe, woher käme dann die Idee, Sie zu einer Lesung hierher zu bitten. Nein, ich bin nicht allein auf weiter niederrheinischer Flur, auch wenn es hier den Anschein hat. In diesen Breiten ist man eben zu schüchtern zum kommentieren.
    Neuss freut sich bereits sehr auf Sie 🙂

  12. Verehrte Modeste, Ihr Befindlichkeitsbloggen spielt in der Championsleague. Bei Ihnen würde selbst der Bericht über das neue Vordach der Nachbarn so manchem Feuilleton stilistisch den Rang ablaufen. Das hier ist ein Stück Kultur. Und ich muss es noch nicht mal jeden Tag aus dem Briefkasten fischen.

  13. REPLY:

    Es tut mir fast Leid, nicht einmal Anrainer der Niederrheiner zu sein und knapp nördlich des vermeintlichen Lochs südlich vom Ruhrpott zu wohnen. Einst, als ich noch private Gründe hatte, oft in Düsseldorf zu sein, hat’s mich auch mal nach Neuss verschlagen. Doch das Kapitel ist zugeschlagen. Sollten Sie aber Ihre Aufwartung in Münster und Umgebung machen, springe ich und mache Ihnen sehr gern meine Aufwartung. Es gibt doch die „Dichter dran“-Reihe im Insonnia. Vielleicht kann man da ja was drehen… Große Grüße, Ole

  14. REPLY:
    Ja Sapperlot!

    Ihr Sitemeter ortet mich in Süddeutschland? Wow – der bei mir installierte Blogcounter kann das nicht. Der findet stattdessen Besucher aus Trinidad und Tobago und erzählt mir, wieviele Leser mit einer .mil-Top-Level-Domain bei mir aufschlagen (nicht, dass ich das sooo genau wissen wollte;-))

    Aber was ich eigentlich sagen wollte: Lesung in NE, da muss ich leider passen. Aber wenn Sie hier mal auf Lese-Tour gehen im Raum F, DA oder HD/MA – immer gerne!

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