Marina, Marina, Marina (auch: Lesung in Hannover)

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Hannover ist ja eigentlich für gar nichts bekannt – Altkanzler Schröder, die EXPO, und da hört es meistens eigentlich auch schon auf. Ich allerdings, die die Zeitläufte und das deutsche Ausbildungssystem weit herumgetrieben haben durch die Darmzotten dieser Republik, ich habe ganze zehn Monate meines Lebens in Hannover verbracht. Nett war’s an und für sich, reizend waren die Hannoveraner, und meine Wohnung in der Innenstadt war an und für sich eigentlich auch ganz angenehm. Drei Fenster aber gingen zur Straßenseite heraus, was kein Problem gewesen wäre, denn über der Fußgängerzone war an Lärm, so dachte ich beim Einzug, nicht viel auszustehen. Eines Tages aber nahte der Sommer, ich öffnete die Fenster, und die Straßencafés füllten sich mit biertrinkenden Gästen. Auch die biertrinkenden Gäste waren nicht problematisch, artig und gesittet saßen sie herum auf ihren Stühlen und prosteten mir freundlich zu auf dem Weg in meine Wohnung. Allabendlich aber zogen zwei Straßenmusikanten durch die Stadt, der eine trug eine Gitarre bei sich, und vor den Gästen der Cafés sangen und spielten sie, dass es eine Freude war für jene, die gelegentlich einmal ihr Bier in der Sonne tranken, damals, im Sommer 2001.

Ich aber, ich wohnte jeden Tag über den Straßencafés, und war ich einmal nicht daheim, so verfolgte mich der Gesang des Duos eben an anderen Orten, wo ich Gast war und nicht einfach Bewohner. Nach einigen Wochen fing der Gesang an, mir ärgerlich zu werden, nach noch mehr Wochen machte das Repertoire mich einigermaßen aggressiv, und am Ende des Sommers war ich drauf und dran, mich zu bewaffnen.

„Marina, Marina, Marina…“, schmetterte der singende Teil des Duos, und meine Gesichtshaut rötete sich, mein Puls beschleunigte sich, und am Ende zog ich weg.

Selten bin ich seither aufgetaucht in Hannover, denn auch die Freunde von damals haben die Stadt zum guten Teil verlassen. Ob auch die Freunde vor jenem Duo geflohen sind, weiß ich zwar nicht zu sagen, aber wenn am nächsten Samstag die beiden Sänger auftauchen sollten, dann kann ich für nichts garantieren.

Sie sind aber alle gern gesehen, solange sie nicht singen. Und es lesen Don Alphonso, Che und ich, moderiert vom Herrn Strappato.

Hannover bezaubern
Samstag, den 27.05.2006
19.00 Uhr
Im Kargah
Zur Bettfedernfabrik 1
30451 Hannover

Für den großartigen Teaser danken wir Sven K.

12 Gedanken zu „Marina, Marina, Marina (auch: Lesung in Hannover)

  1. Stimmt ja so nicht, daß Hannover für nichts bekannt sei, denn immerhin gab’s da ja Wilhelm Busch und Kurt Schwitters und gibt’s da einen immer wieder positiv auffallenden Kunstverein sowie ein auch nicht ganz blödes Sprengel-Museum. Und ansonsten ist die Stadt nicht nur bekannt, sondern geradezu berüchtigt für ihren superscheußlichen Hauptbahnhof mit angeschlossener, an Scheußlichkeit wohl kaum noch zu überbietender Fußgängerzone. Das ist ja nicht nichts.

  2. Ich weiss nicht, wann Zeichensatz das letzte Mal in Hannover war. Aber der Bahnhof und die Fussgängerzone inkl. der Passerelle unter dem Bahnhof und Fussgängerzone wurden in den letzten Jahren komplett umgebaut und neu gestaltet.

  3. REPLY:

    Ähem, am Rande wäre vielleicht noch erwähnenswert, dass es sich um die Hauptstadt des zweitflächengrößten deutschen Bundeslandes handelt, ich mein ja nur…

  4. REPLY:

    Naja, Che, Niedersachen ist ja insgesamt eher soso – aber vielleicht belehren die Niedersachsen uns ja nächste Woche eines Besseren. Der Bahnhof ist allerdings, Herr Zeichensatz, wirklich ganz nett geworden, da hat der Herr Strappato recht, überhaupt ist an Hannover ja wenig auszusetzen, nur wohnen möchte man da nicht. Allerdings teilt Hannover dieses Schicksal mit den meisten deutschen Städten, sieht man einmal ab von den München, Hamburg, Berlin und – für jene Menschen unter 25 – den niedlichen süddeutschen Studentenstädtchen.

    Mich zieht’s nicht so in die Fläche.

  5. Als ich noch bei Europas größtem Reiseveranstalter in Lohn und Brot stand,
    wohnte ich in Hannovers Südstadt. Sallstraße. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens
    hatten wir jedenfalls keine Mückenprobleme.

  6. REPLY:

    Insekten sind ja ohnehin die Geißel des Landlebens. In Brandenburg leiden die Bewohner ja, habe ich gelesen, schrecklich unter riesengroßen Mücken, aber auch in dieser Hinsicht erweist Berlin wie immer als eine Art schmutziges Elysium.

  7. REPLY:
    Na ja, wie man hört…

    und liest, mag Berlin zwar schmutzig sein, aber nicht überall ein Elysium. Hat Berlin inzwischen vielleicht auch eher No-go-Areas – zumindest für türkisch-stämmige PDS-Politiker – und sinkt damit auf das Niveau des umliegenden Brandenburg? Oder darf man hier von einem einmaligen Ausrutscher sprechen?

  8. REPLY:

    Berlin ist, glaube ich, ungefähr so sicher oder unsicher wie jede große Stadt. In manchen Ostbezirk würde ich auch nicht fahren, aber auf der anderen Seite gibt’s da ja eh nichts zu sehen.

  9. REPLY:

    Abgesehen davon, dass sich keine deutsche Stadt etwa mit Barcelona, Sevilla, Jerez,
    Dubrovnik, Coimbra, London, Sète, Avignon, Grasse, Biaritz, den von Don gerade
    überzeugend bebilderten Städten Bella Italias oder San Sebastian/Donosti verglichen
    bzw. an ihnen gemessen werden könnte, würde ich unter die schönen Studentenstädtchen
    noch Göttingen und Oldenburg auflisten. Und als so eine Art Zwischending aus
    Göttingen und Hamburg wäre auch noch Bremen erwähnenswert. Was die
    Wahrscheinlichkeit betrifft, nachts eins auf die Glocke zu bekommen, sind sicherlich
    Stralsund und Eisenhüttenstadt, aber auch Solingen und Ludwigshafen mindestens so
    gefährlich wie jene Teile von Berlin, bei denen man sich mitunter überlegt, ob man sie
    wieder einmauern sollte, oder vielleicht auch gesamtbegrünen.

  10. REPLY:

    Ganz, wie man’s mag. ich würde nicht in Dubrovnik wohnen wollen, aber in Paris immer, und in London meistens. Mit Göttingen hast Du aber wirklich recht, das kenne ich noch von früheren Besuchen. Auch Münster, alles nicht der Nabel der Welt, aber ganz okay. Dass aber Oldenburg eine Uni hat, höre ich gerade zum ersten Mal. Und um die etwas entlegeneren Ostbezirke Berlins wär’s mir auch nicht schade drum, aber das ist wiederum der Vorteil einer großen Stadt: Man muss da ja nicht hin. Soll in Marzahn wohnen, wer Marzahn mag. Solche Leute soll’s ja geben.

  11. Kurfürstendamm, Einstein. Junge Frauen rumänischer Abstammung mit Akkordeon, das sie natürlich nicht bedienen können, und denen man sofort den gesamten Inhalt des Portemonnaies in die Hand schütten möchte, damit sie nur endlich verschwinden und man sich weiter unterhalten kann. Oben im Büro bei geschlossenem Fenster ist es nur gerade so zu ertragen und ich hoffe inständig, dass sie im Laufe des Sommers Richtung Mitte entschwinden.

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