Nein, schüttele ich den Kopf. Viel wird sich da wirklich nicht mehr tun.
Wie ich bin, werde ich bleiben. Die Unstetigkeit wird mir bleiben, der schnelle Wechsel zwischen den Gefühlslagen, und das Gefühl der Taubheit zwischen den Tälern. Immer zu schnell das Interesse zu verlieren, wenn sich mir etwas, jemand, was auch immer, verweigert, und gleichfalls, wenn es mir allzu leicht zufällt, beiseite gewischt mit allzu gedankenloser Hand. Nichts zu beenden, jede Tür noch einen Spalt offenlassen, einen letzten Schlüssel am Schlüsselbund, und weiterziehen. Lauter offene Enden so vieler Geschichten, deren Anfang ich nicht mehr weiß.
Stets allzu leicht zu entflammen, abgekühlt dann wortlos zu verschwinden nicht aus Scham, nicht aus Überlegung, sondern aus schierer Gleichgültigkeit, und die Schalen des Lebens irgendwo liegenzulassen am Weg. Va banque spielen, und den Preis schuldig bleiben, wenn auch dieses Casino langweilig wird. Immer wieder packen und verschwinden und alles vergessen, was jemals war.
Das schlechte Gedächtnis wird nicht besser werden mit den Jahren. Schon jetzt Namen zu vergessen, Gesichter, Haut und Hände, irgendwo, aber das weiß ich nicht mehr. Vielleicht, mein Herz, ist es auch gar nicht wahr, denn sonst hättest du doch nicht alles vergessen, und bautest dir etwas Neues aus den faulenden Planken der Schiffe. Alle paar Jahre sich häuten zu müssen, und doch dieselbe zu bleiben auf einer anderen Bühne. Zu lächeln, zu bluten, zu spielen, weil es doch meist nur Geld ist, mit dem du spielst, nur kaltes Fleisch, und nichts Ernstes, das sich mir entzieht. Auf den Ernst zu warten, der nicht kommt. – Zieh mir die Haut ab, rufe ich ihm nach, aber er schüttelt den Kopf und bleckt die Zähne, die nur für die anderen da sind und nicht für mich.
Ein Kieselstein aus Reserve wird mir bleiben. Nie ganz dabei sein, stets einen Seitwärtsschritt entfernt, und nie deckungsgleich mit dem, was mich umgibt. Nicht wollen oder nicht können. Wer kann das wissen, zucke ich die Schultern aus Bequemlichkeit, und lebe mit dem dünnen, trennenden Faden zwischen mir und der Welt. Keine Meinungen zu haben, die ich nicht alle drei Tage vergäße, aber Nerven, die ausschlagen, wenn ein Ton zu schrill ist, eine Linie verzeichnet, oder eine Geste, ein Wort ohne Anmut. Die allzu vielen Tage, an denen ich keine Haut habe, und das rohe Fleisch mir brennt mit jedem Luftzug.
Die Melancholie wird mir wohl bleiben und der Leichtsinn dazu. Die Suche nach etwas Dunklem, nach einer gleißenden Wahrheit, die mir die Haut verbrennt, bis nur die Knochen übrig sind, weiß und rein und schweigend wie alles, was perfekt sein soll. Die Unruhe, die alle paar Jahre nach mir greift, und mich weitertreibt irgendwohin, wo vielleicht eine lächelnde Reinheit wohnt, fragloser Glaube, stumme Erfüllung, Demut, Hingabe an ein schweigendes, lichtes Meer, das sich über mir schließt.
Aber viel wird da nicht mehr kommen, und die Welt und ich werden uns einiges schuldig bleiben, was mich schmerzen würde, hätte ich es einmal erwartet und vielleicht gewünscht.
Neulich überhört: The leopard doesn’t change its spots. Fand ich sehr passend. T. Hughes hat da auch was zu zu sagen, was Sie betrifft:
As a child at a dream, at a jaguar hurrying enraged/Through prison darkness after the drills of his eyes /On a short fierce fuse. Not in boredom—/The eye satisfied to be blind in fire
Warum ich Ihnen ab und an Poesie anschlepp wie die Hauskatze kopflose Mäuse weiß ich auch nicht.
In between…Freud+Leid
„Es spinnt sich also bei der Melancholie eine Unzahl von Einzelkämpfen um das Objekt an, in denen Hass und Liebe miteinander ringen, die eine, um die Libido vom Objekt zu lösen, die andre, um diese Libidoposition gegen den Ansturm zu behaupten. Diese Einzelkämpfe können wir in kein anderes System verlegen, als in das Unbewusste, in das Reich der sachlichen Erinnerungsspuren (im Gegensatz zu den Wortvorstellungen).“
Jenen Erinnerungsspuren zu ihrem Ausdruck zu verhelfen ist kein leichtes Geschäft, aber trösten Sie sich: Auch wenn ’nicht mehr viel‘ kommen mag,
ist das, was kommt, doch alles und das was war, mehr als genug!
Warum sich nicht in sein Los schicken und stagnative Progression betreiben…?
weisheiten
kann ich ihnen hier nicht anbieten, weder fernöstliche noch hiesige, aber seien sie versichert: das leben gefällt sich darin, überraschungen dann zu präsentieren, wenn man sie am allerwenigsten erwartet …
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Liegt darin nicht das Wesen einer Überraschung? 🙂
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nicht zwingend,
da ja überraschungen sogar dann überraschungen bleiben, wenn denen man den zeitpunkt kennt, an welchem sie sich ereignen werden und einem lediglich ihre natur unbekannt ist …
Ah. Mal wieder The Sun Also Rises lesen. Voll Unruhe treiben, um Demut zu spüren… am Ende, was bleibt schon? Immer nur neue Sehnsucht, nach „fraglosem Glauben“. Ja.
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Diese Definition überrrascht mich jetzt…
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Allgemein oder speziell bei mir? Oder wegen Hemingway? (dann muß ich weeeeit ausholen ;-))
Gedichte, Herr Gheist, ziehe ich ja nicht nur kopflosen, sondern auch kopfbesitzenden Mäusen vor, zumal wenn sie so hübsch sind wie jene. Überhaupt, diese Fiktion jeder guten Lyrik, sie stehe für sich allein und sei sich genug. – Ob allerdings das, was mir noch kommen mag, genug sein wird, Herr Wallhalladada, wird sich wohl nur bei Anlegen eines wirklich ziemlich bescheidenen Maßes bejahen lassen. Insofern, Frau Walküre – Überraschungen gern gesehen. Selbst die janusköpfigen, wie ja fast nichts… aber lassen wir das.
Der Herr Che meint, wenn ich ihn richtig verstanden habe, eher die Definition der Frau Walküre, wobei ich gegen ein weites Ausholen, Herr Kid bei Ihnen bekanntlich rein gar nichts einzuwenden hätte, und auch Hemingway am ehesten da schätze, wo er sich Raum lässt für die Graustufen zwischen Rot und Schwarz.
Und was wohl jenseits der Sehnsucht liegt – nichts Wünschenswertes, fürchte ich. Und im besten Fal neue Sehnsüchte, ein anderer Wal, und ein neues, noch nicht von menschlichen Gedanken verschmutztes Orplid irgendwo.