Eine Idylle
Weil ich Leute blöd finde, die ein inneres Kind haben, dem sie Schwimmtiere für die Badewanne kaufen, lasse ich zwischen Bergen von Schaum bloß eines von diesen Fläschchen schwimmen, die man in den Badezimmern von Hotels immer vorfindet, und die ich jedesmal mitnehme, weil man ja nicht weiß, ob man im nächsten Hotel auch Duschgel hat. „Mint Thyme Conditioner“ heißt das Schiff, das unterhalb der silbern glänzenden Türme von Port Hahn in See sticht, und kreist zwischen den weißen Schaumbergen hin und her. Gut sieht der Schaum aus, der sich entlang den Rändern der Wanne türmt, zart durchsichtige Blasen, hochgetürmt, weiß vor Sauberkeit, und in der Mitte aufgerissen, wo man meine Beine sehen kann, die ich eigentlich ganz gut finde, besser jedenfalls als den Oberkörper, über den ich mit den Händen ganz viel Schaum verteile, damit man ihn nicht sieht.
Die „Mint Thyme Conditioner“ dümpelt ein wenig antriebslos über die Wasseroberfläche, und ich gebe ihr einen kleinen Stoß. Entlang der Meerenge zwischen dem Wannenrand und der tückischen Isola Knie kreuzt das Schiff Richtung Süden, kollidiert ein paarmal mit der emaillierten Wanne, und schwankt weiter. „Seemann lass das Träumen..“, singe ich, weil ich ausschließlich in Badezimmern singe, und die Gelegenheit nicht verstreichen lassen will.
Ein Erdbeben in Höhe des Kaps der beiden Füße bringt die See in Wallung, ein bißchen Wasser landet sogar auf dem weißgekachelten Fußboden neben der Wanne, und die „Mint Thyme Conditioner“ dreht sich ein paarmal um die eigene Achse. „Hilfe! Seenot!“, quietsche ich stellvertretend für den Kapitän und den ersten Offizier. „Mann über Bord!“, brülle ich als Kapitän, aber der erste Offizier liegt schon ertrinkend auf der Höhe meiner Ferse, strampelt noch ein bißchen und liegt dann ganz still.
„Ist irgendwas?“, erkundigt sich der geschätzte Gefährte vom Arbeitszimmer aus durch zwei geschlossene Türen. „Alles bestens!“, antworte ich, was ein wenig herzlos ist, denn der erste Offizier ist ja tot, aber ich singe ein bißchen, um den Kapitän zu trösten, und das Leben muss ja weitergehen.
Hart und einsam ist das Leben nun an Bord der „Mint Thyme Conditioner“, und ich beschleunige ein bißchen, um den Kapitän zu trösten. Das Wadenmeer immerhin ist ruhig, der Kapitän liest viel und beginnt, den ersten Offizier zu vergessen, und wenn der Zwieback nicht auch langsam zur Neige ginge, wäre das Leben fast schön auf der „Mint Thyme Conditioner“, die allerdings langsam beginnt, etwas Wasser zu ziehen, und deutlich tiefer liegt als zu Beginn der langen und gefahrvollen Fahrt.
„Du bist doch schon ganz aufgeweicht!“, behauptet der geschätzte Gefährte, obwohl er mich gar nicht sehen kann, und ich betrachte interessiert die Rillen auf meinen Fingerkuppen. – Ob man, überlege ich, am ganzen Körper solche Rillen bekommt, wenn man im Wasser liegt wie der erste Offizier? Oder ob er sich inzwischen dermaßen mit Wasser vollgesogen hat, aufgeplustert wie ein Schwamm, aufgedunsen durch das vanilleduftende Badewasser, dass er am Ende nicht einmal mehr durch den Ausguss passt, wenn ich den Stöpsel ziehe und die Wanne verlasse, um mich abzutrocknen?
Am Ende aber ist die Wanne leer, der erste Offizier treibt leblos durch die Berliner Abwasserrohre, und der Kapitän steht nur manchmal ein wenig versonnen am Badewannenrand neben der „Mint Thyme Conditioner“ und gedenkt des toten Gefährten mit ein wenig Wehmut.
Ente
ich orte eine abneigung gegenüber der gemeinen bade-ente und weiß nicht, ob ich das goutiere. hotelzimmerbadezusatzfläschchen ja, aber ein nein zum schwimmenden getier. hier treffen weltanschauungen aufeinander!
guten abend & gut bad noch,
Mein Haus, mein Auto, mein Badewannenboot. (Studentische variante: Mein Zelt, mein Fahrrad, mein Bierflaschen-U-Boot)
Tja. Die schönen Sirenen sind des Seemanns Verderben.
was die veränderung
des hautbildes anbelangt, vermag ich sie zu beruhigen: die bildung von tiefen rillen durch wasserbedingtes aufweichen beschränkt sich auf die fingerspitzen. jedenfalls solange der/die badende sich in lebendem zustand befindet.
Ich persönlich habe ja ein freundlich gesonnenes Verhältnis zu quietschendem Gummigeflügel zwischen Badewannenschaumbergen. Und auch mein inneres Kind mag ich, auch wenn ich in Bezug hierauf nur bedingt Herbert Grönemeyers Forderung der Achtziger folge. Lirum larum, ein herrlich origineller Text, Frau Modeste!
…
hol Rum nach Achtern!
Einer der schönsten Blogtexte überhaupt! Und jetzt gehe ich baden.
Nein, Quietschentchen mag ich nicht, Herr Mabel (Stimmt „Herr“ nun eigentlich?), ein inneres Kind halte ich nicht, denn ich, lieber Ole, habe bekanntlich keine große Vorliebe für Kinder.
Auch ein Badewannenboot, Herr DRNIX, habe ich ebenso wenig wie ein Haus und ein Auto. Weil ich ja auch keine Sirene bin, sondern bloß eine langsam verfettende Prenzl’bergerin mit zu wenig Zeit und zuviel Pickeln, Herr Kid, liegt es auch ganz bestimmt nicht an mir, das Unglück des ersten Offiziers, aber ach – was mussten die Herren auch in See stechen und nicht einfach daheim bleiben. Wer sich in Gefahr begibt….
Was die Fingerkuppen angeht, Frau Walküre, habe ich das auch schon beobachtet. Alles ist fest und straff – nur die Fingerkuppen schrumpeln. Wenn jemand weiß, wieso – hier findet sich eine dankbare Abnehmerin seines Wissens. Mit oder ohne Rum, Herr Wallhalladada.
Und danke, Creezy. Das hört man gern.
Ich erklär‘ es Ihnen gern, allerdings klingt es nicht gerade sinnlich. Stichwort Hornhaut nämlich. Davon haben wir gewöhnlich am meisten an Händen und Füßen – keine Ahung, wie das bei Juristinnen ist? Jedenfalls, sollten eigentlich auch ihre Füßchen respektive Zehen schrumpeln? Hornhaut nimmt Wasser en masse auf, nimmt dadurch zu und wirft logischerweise falten. Beim Trocknen legt sich das entsprechend wieder und ihre Fingerbeeren wirken wieder wie frisch geplättet.
Ihrem Seemanne wünsch ich ein friedliches Seemannsgrab in Berlins Kanalisation, may the Spree be finally with him.
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outing
nun denn, werte Modeste, wenn ich mich schon bereits in meinem ersten Kommentar zu ihren kurzweiligen Texten als männlich (oder sagen wir zumindest maskulin) erwähnt habe, oder wie man im Zeitalter des inflationären Anglizismus sagt, „geoutet“ habe, so sollte ich doch dann auch weiterhin zu diesem Bekenntnis stehen. Und wir Männer, und damit meine ich eine mir bekannte Mehrheit, wir wollen dem gängigen Rollenklischee einfach nicht mehr immer entsprechen. Daher ja zu Reifen ohne Alufelgen, ja zu Gertrude Stern, ja zu Leicht-Bier, ja zu Badeenten. Auch wenn Sie jetzt mit Schaudern durch die Kastanienallee ziehen!
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So ist das also, dankeschön. Beim nächsten Mal werde ich gleich meine Füße inspizieren, die überhaupt zum größten Teil aus Hornhaut bestehen, weil ich da untenrum eher empfindliche Haut habe, und aus unerklärlichen Gründen sich noch niemand gefunden hat, der mir die Mühe der Fortbewegung erspart und mich kurzerhand durch Berlin zu tragen bereit wäre. Eine Schande ist das.
REPLY:
Bei Badeenten in Zusammehang mit Männern denke ich ja sofort an Herrn Dr. Klöbner und Herrn Müller-Lüdenscheid. Eine peinigende Vorstellung.
Ich fand‘ ihn so schön
ich habe den Text gestern vorgelesen – natürlich unter Nennung der Autorin. Und er hat den anderen auch gefallen…