Haben Sie, meine sehr verehrten Damen, sich eigentlich schon einmal gefragt, warum die Presseorgane, die sich der Abbildung der weiblichen Anatomie verschrieben haben, eigentlich nie nackte Fünfzigjährige photographieren? Oder warum weder die Spieler der Fußballbundesliga noch die Vorstandsvorsitzenden international operierender Konzerne auf dem Höhepunkt ihrer Karriere in zweiter Ehe welterfahrene Damen zu sich nehmen, die schon einiges erlebt und noch mehr gesehen haben? Und sind auch Sie zu dem Ergebnis gelangt, dass das weibliche Verfallsdatum offenbar eine feststehende, kosmetisch nur unwesentlich zu verändernde Größe darstellt, und der Zenit weiblicher Attraktivität deutlich vor Erreichen des 30. Lebensjahres anzusiedeln ist? Und fragen auch Sie sich manchmal, wann der Zeitpunkt gekommen ist, ab dem Ihr geschätzter Gefährte Sie möglicherweise angenehm, keinesfalls aber mehr so attraktiv wie die Damen in der Zeitung finden wird, und wahrscheinlich beginnt, Sie – wenigstens in Gedanken – mit „Mutti“ anzusprechen?
Hadern Sie mit dieser sicherlich eines Tages eintretenden Entwicklung? Zählen Sie die Tage Ihrer verbleibenden Weiblichkeit? Oder haben auch Sie eines Nachts innegehalten, Ihren schlafenden Gefährten sanft hinter den Ohren gekrault, und beschlossen, auch aus dieser Entwicklung nichts als Vorteile zu ziehen?
Ab Ihrem 40. Geburtstag etwa nie wieder eine Waage zu besteigen, weil es als alte Frau eigentlich egal ist, ob man dick oder dünn übersehen wird? Schon morgens Sahnetorte zu essen, und dann alle drei Stunden Lebensmittel nachzufüllen, bis es wirklich nicht mehr geht? Oder eines Tages einfach zu beschließen, insbesondere Männern nur noch die Wahrheit zu sagen. Männliche Freunde etwa, die sich ja gern einmal an der Schulter einer alten Freundin über ihre Misserfolge bei Frauen ausheulen, schonungslos aufzuklären, warum das so ist? Haarausfall, komische Gesichtsverformungen oder Übergewicht – sonst schamhaft und schonungsvoll verschwiegen – könnte man da einfach mal auf den Tisch bringen, oder in Einzelfällen erläutern, wieso es ohne erheblichen Einsatz finanzieller Mittel überhaupt nie hinhauen wird mit den Frauen. Im Anschluss können Sie sich an der Verzweiflung Ihrer – dann wohl ehemaligen – männlichen Freunde weiden, und bei denjenigen, denen Sie in Ihrem früheren Leben als Frau einmal etwas näher gekommen sind, nochmal nachstoßen und erklären, wieso sich die Annäherung an das jeweilige Exemplar aus Damensicht auch nicht lohnt. Seien Sie skrupellos: Die Herren werden sich schon trösten.
Haben Sie ein in dieser Beziehung amüsantes und eher abwechslungsreiches Leben hinter sich, könnten Sie beginnen, Ihre Memoiren zu verfassen, und allen Männern Ihres Lebens auf diesem Wege noch einmal so richtig einen mitzugeben: Selbst diejenigen, die mit Ihnen seit dreißig Jahen nicht mehr gesprochen haben, werden es lesen. Bezeichnen Sie die Herren ruhig mit ihren realen Namen – bis der Prozess wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten ein rechtskräftiges Urteil nach sich gezogen haben wird, sind Sie voraussichtlich tot. Besonders langweilige Episoden, über die zu schreiben nicht einmal dann mehr Spaß macht, wenn sich sonst nichts mehr tut, verbannen Sie in die Fußnoten.
Beginnen Sie ansonsten, schrill und hexenhaft zu lachen, wenn Ihnen etwas nicht gefällt. Die meisten Menschen finden das unangenehm. Stellen Sie junge, schöne, dumme und eitle Mädchen ein, deren Vorgängerinnen sie schon vor dreißig Jahren nicht ausstehen konnten, und schikanieren Sie sie so lange, bis die jungen Hüpfer Esstörungen bekommen oder sich aus dem Fenster stürzen. Gehen Sie auf die Beerdigung und essen während der Messe Chips.
Nutzen Sie Ihren sauer verdienten beruflichen Erfolg! Essen Sie vor ganztägigen Verhandlungen eine ganze rohe Knoblauchknolle und weiden Sie sich an Ihrer Unentbehrlichkeit für den Laden, den Sie aufgebaut haben. Leisten Sie sich einmal wöchentlich einen Temperamentsanfall, der sich gewaschen hat, und zwar so, dass keiner weiß wann. Genießen Sie, dass man Sie hinter Ihrem Rücken hausintern als die „Großmutter des Vesuv“ tituliert, und die Richter zittern, wenn Sie zu Gericht reiten, um wahlweise die Waffenindustrie, die Atomlobby oder die kommunistische Partei zu vertreten.
Gehen Sie abends zu Bett und sagen Sie sich, Ihr Leben sei schön.
So soll es sein, Frau Modeste! Wunderbar!
die lebenserwartung der menschen ist einfach zu hoch 😉
Selbstbewusstsein für Frauen in kleinen Portionen – angerichtet von Frau Modeste.
Schön!
Ninon
Natürlich ist die Versuchung gross, hier umgehend beizupflichten. Ich empfehle in solchen Momenten die Lektüre der Ninon de Lenclos – seien es ihre Briefe oder die Biographie. Die Männer blieben gefesselt von ihr bis ins hohe Alter von 80 Jahren. – Sie hat sich allerdings schon als junge Frau nicht auf Ihr Äusseres verlassen, um wahrgenommen zu werden.
Ich bin auch erinnert an ein Interview mit Dustin Hoffman, in dem er über die entsetzliche Erfahrung schreibt, die es ihm war, als er im Tootsie-Kostüm quasi körperlich spüren könnte, wie die Männer sie/ihn für Sekunden taxierten, bevor er/sie vollständig vom Männerradar verschwand. Er hat sich fortan geschworen, in dieser Hinsicht auf die eigene Verhaltensweise zu achten. – Ich möchte diese Live-Erfahrung nur ungern machen…
PS: Beklagen Sie den Verlust eines „Vorzugs“, den wir niemals haben und nur deshalb nicht verlieren?
REPLY:
Absolut toll geschrieben, aber, ach, Modeste, was sind das für trübe und falsche
Perspektiven! Manche Frauen entfalten ihre volle Attraktivität erst ab 30, das aktuelle
Titelgirl des „Playboy“ ist eine 40jährige, ich als Mann anfang 40 kann mir Sex auch nur
mit Frauen in meiner Alterskohorte, d.h. 30-50 vorstellen, und als ich mal einen One-
Night-Stand mit einer 23jährigen hatte, da fragten mich böse Zungen, ob ich unter die
Kinderschänder gegangen sei. Alt ist eine Frau mit 70+.
Ach übrigens, was die Beerdigung angeht: Wenn man in Serbien jemandem sagt, er sei
ein großes Arschloch, sagt man „Auf Deiner Beerdigung ficke ich die komplette erste Reihe!“
Wenn schon geschmacklos, dann richtig 😉
REPLY:
Ja, Frau Jule, so und nicht anders. Ein großartiges Alter werden wir haben, alle miteinander. Da kann die Lebenserwartung gar nicht hoch genug sein, Silenced. Das Selbstbewusstsein kommt dann bestimmt von selbst, Herr Pathologe: Glückliche Menschen sind ja selten komplexbehaftet – und wenn doch, leiden sie wenigstens nicht darunter.
Was die Ninon angeht, so möchte ich doch davon abraten, sich in unziemlicher Weise seinen Söhnen zu nähern, Herr Turmsegler. Die Dame war ja sogar nach dem sehr erweiterten Jugendbegriff von Che mächtig alt. Wann man aber alt ist, wann also der Zustand genau beginnt, den man „Alter“ nennt, mag – und da hast Du sicherlich recht – sehr relativ sein. man sollte sich da aber keinen Illusionen hingeben: Irgendwann ist es eben aus.
Verdammt, ich fühle mich gerade wieder wie 25. 😉
REPLY:
Ich fühle mich ständig wie 25 – wenn das in zwanzig Jahren immer noch so sein sollte, wird das irgendwann zum Problem.
Das hört sich an wie eine wahre Geschichte?
Zuckerfrei!
Wenn ich groß bin, will ich die Mutter aller Schreckschrauben werden!
REPLY:
Ich fühle mich ständig wie 28 und bin über 40, es geht also.
Es gibt da doch auch so ein altes Lied, forever punk oder so….
Manchmal geht es auch anders. Ich habe mit 53 eine Frau geheiratet, und die war sogar noch älter, wenn auch nur um ganze 2 Monate 😉 Aber wahrscheinlich gelte auch ich schon als uralt, auch wenn das ganz und gar nicht so ist
REPLY:
In Würde altern
Mit schwebt da immer so ein grässliches Bild einer faltigen Fünfzigjährigen vor, die behängt mit Modeschmuck und langen, lackierten Krallen ihre schrumpelige Haut in superengen Sachen zu Markte trägt. Aber natürlich habt Ihr recht und das muss nicht so aussehen.
REPLY:
Noch nicht, Lucky.
REPLY:
Gut so, Frau Nachtbriefkasten! Und natürlich geht’s auch anders, Herr Mouchi – aber so geht es auch. Und nein, uralt ist auch hier sehr relativ. Ein alter Student ist schließlich fast immer jünger als ein junger Landwirschaftsminister.
Sagen Sie mal werte Fraue Modeste,gilt dies auch für über 40-50jährige,
schlabbrige,impotente , arbeitsunfähige Männer?
Oder gelten bei diesen andere Maßstäbe?
Zudem stelle ich es mir nicht ganz so einfach vor, kleine Mädchen so zu schikanieren ,dass sie Eßstörungen bekommen-geschweige denn,sich aus dem Fenster stürzen.
Es gibt auch häßliche,unappetitliche junge Mädels, die ich nicht mit der Pinzette anfassen oder filettieren würde.
Da nehm ich lieber keine.Und bleib alleine mit mir und meiner Liebe zu mir selbst.
REPLY:
Klar, den meisten alten Männern möchte ich auch nicht zu nahe kommen. Allerdings scheint dies nicht allgemein so gesehen zu werden – man sieht weitaus mehr hässliche,alte Männer mit jungen Frauen als hässliche, alte Frauen mit jungen, hübschen Männern. Die Maßstäbe müssen also offensichtlich andere sein.
Und was die Schikanen dieser Damen angeht, habe ich ja noch reichlich Zeit, mich vorzubereiten.
Na, das werden ja lustige Zeiten!
Ein Nörgler in der FAZ, und darüber wollte ich eigentlich noch was schreiben, hat sich im Feuilleton über die aktuelle Dove-Kampagne mokiert. Was das solle, nach den „pummeligen Frauen“ der ersten Kampagne jetzt auch noch die „alten“ nackt zu präsentieren. Q.E.D.
Dada-Haudegen Claire Goll immerhin tat kund, erst mit 70 ihren ersten Orgasmus erlebt zu haben – durch einen blutjungen Liebhaber. Es gibt also immer Hoffnung.
REPLY:
Irgendwo auf diesem Blog wurde ja schon gesagt, Sharon Stone ist um die 50, Madonna Mitte 40 – und sehen die schlecht aus?
Ich sehe ziemlich häufig hässliche alte Frauen mit schönen junge Männern. die Frauen sind grundsätzlich weiß und die Männer grundsätzlich schwarz
REPLY:
Echt? der Noergler schreibt jetzt in der FAZ 😉
REPLY:
Wünschen wir Claire, dass es nicht der einzige geblieben ist.
REPLY:
ich meinte auch mehr eine person aus ihrem – sagen wir mal, arbeitsumfeld möglicherweise…
REPLY:
madame modeste
möchten Sie wenn Sie über 40 sind nicht lieber auch von einem schnuckligen jungen schwanzträger be-liebt werden als von einem 60jährigen lifestyle-schwätzer?
also ich gestehe jeder frau über 40 einen hübschen lover zu.
er beliebt sie, und sie bezahlt ihm das auto.
REPLY:
Hoffentlich, Herr King Fisher – und nein, Herr Side Affects, an einem jungen Herrn, den ich bezahlen muss, damit er mir Gesellschaft leistet, bin ich auch mit 40 nicht interessiert.
REPLY:
An Madame Golls Autobiographie dachte ich ja einen Moment, als ich obigen Text schrieb.
REPLY:
Das ist nicht das, was ich mir vorstelle.
Warum nur die Damen? Fotos von männlichen Models gibts doch auch nur junge, ist doch genau dasselbe. Wieso soll das ein damenspezifisches Problem sein – versteh ich nicht ganz.
eigentlich
bewege ich seit längere zeit auch einen text zu diesem thema im kopf. anlaß: eine freundin, mittlerweile im letzten drittel der 50, die mir genau diese sachen immer wieder aufs brot schmiert. sie ist sehr einsam, aber uninteressiert an einigen ihr zu füßen liegenden netten softies um die 60, denkt feministisch und hätte gern einen millionär, wütet gegen männliches denken und verdient ihr geld mit dem schreiben und redigieren von romantischen komödien.
wir telefonieren nicht mehr miteinander, seit sie mir vorgeworfen hat, solange ich tatsächlich noch keine alte v… wäre, könnte ich gern behaupten, männer würden sich aus respekt vor mir nicht trauen, mich so zu nennen. im klartext: im alter wird frau nicht nur ignoriert sondern auch noch beschimpft.
und dann denke ich an all die loser und spacken, die um uns frauen und mädchen herumstreichen, in der hoffnung, beachtet zu werden. zu denen wir nicht nur nicht nett sind, die wir größtenteils ignorieren oder angiften (schon mal irgendwann „verpiß dich, du wichser“ gesagt? – bestimmt). wenn sie glück haben und ansonsten was auf dem kasten haben, befördern wir sie zum besten kumpel.
oder frau modeste, haben sie eine herz für die bierbäuchigen arbeitslosen mit den schlechten haarschnitten, die es in den datingportalen wahllos bei frauen versuchen? denn das sind die, die in der männergemeinde übrig bleiben und tauschen möchte ich mit denen auch nicht.
in der filmbranche ist eine frau bereits ab ende 30 unsichtbar, so viel junges fleisch versperrt die sicht. das war hart zu erfahren. auf der anderen seite ist es angenehm zu spüren, daß die männer, die sich nun mit mir beschäftigen, ein ernsthaftes interesse an mir haben (ob geschäftlich oder privat) und sich nicht mit mir unterhalten, weil sie nicht noch für heute abend was zum poppen suchen.