Das Mückenmahl

Ganz generell kann man ja froh sein, dass die Evolution einen nicht erwischt hat, als ihre Pranken noch mächtiger waren, als dies heute der Fall ist, und die natürliche Auslese mich nicht zu Zeiten aussortiert hat, als Kurzsichtigkeit, Schwerhörigkeit und die Unfähigkeit, sich im dreidimensionalen Raum zurechtzufinden, noch ausgereicht hätten, mich noch im Kindesalter von einem Bären fressen zu lassen, oder schlicht beim Beerensammeln verloren zu gehen und nie wieder nach Hause zu finden. Ein weiterer Umstand hätte mein Überleben in der Urgesellschaft vermutlich durchaus schwierig gestaltet: Wo ich bin, sind Mücken, wo Mücken sind, wird man gestochen, und wer gestochen wird, riskiert in den feuchten Mooren der Urzeit gefährliche Infektionen und einen baldigen Tod.

Dies immerhin dräut nicht hierzulande, wo weit gefährlicher als der Tod durch Malaria der Tod durch wildgewordene Autofahrer sein dürfte, und doch erweist sich täglich, dass auch heute die Anziehungskraft auf Stechmücken einen echten Nachteil im harten Überlebenskampf darstellt, welcher, wie man weiß, aktuell eher auf Straßen und in Büros stattzufinden pflegt als in den dichten Wäldern der Urzeit.

Komplett zerschlagen nämlich, müde wie eine junge Mutter, mit Ringen unter den Augen, die vom Umfang her fast Untertassen gleichen, und verbeult wie ein Opfer der pestis bubonis, sieht der geneigte Passant eine durchaus geräderte Dame auf dem Fahrrad den Alex überqueren, knapp nur sieht sie in letzter Minute die dahinsausenden Gefährte motorisierter Zeitgenossen, und dass nicht auf den knapp acht Kilometern zwischen ihrem mückenverpesteten Heim und ihrem nict minder insektenstarrenden Büro die Kraftfahrzeuge ihr den Garaus machen – das, verehrter Leser, ist weniger ihr als dem Glück und der Aufmerksamkeit Dritter zu verdanken. Tief in Gedanken, über den Lenker gebeugt, sieht man sie die Spree entlang radeln, fahrig wedelt sie aus purer Gewohnheit imaginäre Insekten vor ihrem Gesicht nach rechts und links, um sich, wartend an der Ampel, mehrfach herzhaft zu kratzen.

In ihren Ohren saust es von Müdigkeit, alle Mücken der Stadt summen ihr Schlaflieder vor, und dass sie, endlich im Büro angelangt, nicht sofort in Schlaf versinkt: Dies, oh hoffentlich mitleidiger Leser, dies ist ganz allein den Mücken anzulasten, die auch hier, den Fluß vor der Türe, seit Stunden schmatzend vor Begierde, der Ankommenden harren, an ihrem Blute zu saugen, riesengroße Beulen hinterlassend, und nach kurzem Verdauungsschlafe wiederkehrend, in Begleitung natürlich, schwankend vor Völlerei, und so angefüllt mit nahrhaftem Blute, dass sie dort, wo man die eine oder andere mit gezieltem Schlage zerdrückt, spektakuläre Blutflecken hinterlassen.

6 Gedanken zu „Das Mückenmahl

  1. Chemie auf die Haut!

    Die Pharmaindustrie, verehrte Frau Modeste, bietet diverse Abhilfen Ihres Problemes an. Als ein Leidensgenosse habe ich mit Autan gute Erfahrungen gemacht. Der Geruch ist ein wenig penetrant, aber die Mücken schätzen das zum Glück ähnlich ein und wenden sich appetitlicheren Opfern zu. Besonders zu Einschlafen zu empfehlen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Adhominem.

  2. REPLY:

    Autan ist fies zur Haut und stinkt. Dann lieber das Zeugs mit Zedernöl drin (dessen Name mir jetzt leider nicht einfällt). Ich bevorzuge allerdings ein homöopathisches Mittel: Staphisagria* D3. Wenn ich das intus habe, verlieren die Biester sofort ihren Appetit und verschonen mich.

    Fürs Fenster daheim, werden auch Tomatenpflanzen empfohlen. Der Geruch sei ihnen zuwider. Gegen den Juckreiz hilft übrigens Lavendelöl. Lavendel gehört praktischerweise auch zu den Pflanzen, die die Viecher nicht gern riechen.

    * Stephanskraut

  3. … oder einen Vitamin-B Komplex (Kapseln) über den Sommer zu sich nehmen. Es ist bekannt, dass der körpereigene Geruch sich dadurch etwas verändert… die Mücken mögen diesen Geruch nicht – als Mensch nimmt man ihn aber nicht wahr, und auf die Mückenstiche japanisches Heilpflanzenoel, hilft wie die Zahnpasta sehr schnell.

  4. REPLY:

    Doch, als Mensch nimmt man den veränderten Geruch schon war. Mir ging das jedenfalls immer so – wenn ich Vitamin B-haltige Medikamente nehmen musste, dann konnte ich mich selbst binnen kurzer Zeit nicht mehr gut riechen und setzte das Zeug umgehend wieder ab.

  5. Ich überlege die Installation eines Moskitonetzes über dem Bett. Dann kann ich in Ruhe lesen und die Sir(r)enen schauen hungrig zu.

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