Die Taschenkäufer-Psychologie

Wie sind, denke ich so bei mir, eigentlich Leute beschaffen, die Handtaschen mit riesengroßen Herstellerbezeichnungen auf beiden Seiten kaufen? Handelt es sich um, kurz gesagt, Menschen wie dich und mich, mit dem einzigen Unterschied eines kleinen, nach Art und Umfang überschaubaren ästhetischen Defekts? Können diese Menschen liebenswert, bescheiden und freundlich sein, gelassen gegenüber den Erscheinungen der sichtbaren Welt, und finden nur – ebenso wie manche ansonsten einwandfreie Leute hässliche Bilder präferieren – große goldene Schriftzüge schön? Sind die Käufer, besser vielleicht: die Käuferinnen, dieser Handtaschen ansonsten ganz normale Leute, und nur eine gewisse Unsicherheit, die man nicht weiter verwerflich finden mag, zwingt sie, die Unsicherheit ihres Urteils bezüglich des Aussehens von Handtaschen durch die Ausstellung des Kaufpreises in Form von Markennamen zu kompensieren? Oder mag doch eine Prise, wenn nicht sogar ein ganzer Löffel Vulgarität eine Rolle spielen bei jenen Frauen, die zwischen den Hundertschaften von Handtaschen im Erdgeschoss der Galeries Lafayette zielsicher diejenigen auswählen, die Herkunft und Preis in grellen Lettern herausschreien?

Welchen Eindruck, überlege ich und lasse den Blick über die anderen Damen auf Taschenjagd schweifen, wollen jene Damen bei ihrer Umwelt erwecken? Spekulieren diese Frauen auf den Neid ihrer schlechtbezahlten Friseurin, wie es möglicherweise der blonden, etwas fülligen Frau mit den allzu roten Lippen zwischen den Prada-Taschen zuzutrauen wäre, oder spielt mir angesichts dieser etwas zu farbenfrohen Dame ein wiederum wohlfeiles Vorurteil ein Schnippchen? Sollte ich vielleicht einer unzutreffenden Vorstellung über andere Leute aufsitzen, und zu Unrecht das blonde, etwas streng wirkende Mädchen mit der Longchamp-Tasche in der Hand gedanklich der Hochnäsigkeit zeihen, die ich mir möglicherweise vielmehr selbst vorwerfen müsste, die ich jene Person, ohne ein einziges Wort mit ihr gewechselt zu haben, in festgeschraubte Kategorien eingeordnet habe.

Und was, fällt mir ein, denken diese Leute eigentlich über mich, die ich – unfähig zur Entscheidungsfindung – mit zwei Handtaschen in beige und braun durch die Taschenabteilung laufe, ein wenig unfrisiert wie stets, einen dunklen Rock um die etwas zu speckigen Hüften, derbe Stiefel an den Füßen, eingehüllt in eine braune, leicht unförmige Barbourjacke und mit der missmutigen Miene derjenigen Leute, denen immer etwas zu bewusst ist, dass sie in dem Reich der dezent geschminkten, tadellos gekleideten Damen nie mehr als den Status des geduldeten Zaungastes erwerben werden, völlig egal, welche Handtasche an ihrem Unterarm hängt?

7 Gedanken zu „Die Taschenkäufer-Psychologie

  1. Auf ins Reich der Küchenpsychologie

    Die Fragen sich wahrscheinlich, warum Du eine Barbourjacke anhast, wenn Du eine No-Name-Tasche mit Dir rumträgst.

    Oder sie denken „die kann sich nicht mal nen Türkei-Urlaub leisten, um sich ne nachgemachte Tasche zu kaufen.“

    Oder es sind alles Italienierinnen, wo es nach dem Straßenbild Pflicht ist, dass auf allen Kleidungsstücken groß in fetten Lettern D&G oder Ähnliches steht. Oder sie denken einfach nichts, weil die Teletubbi-Shoppingwelt sie gefangen hält und ihren Geist mit Schnäppchen von Dingen, die sie nicht brauchen, erfüllt.

  2. oops, erwischt. ich habe eine lieblingtasche, wo ultrafett das logo draufprangt. ich entschuldige das damit, dass das „d“ für dick steht und das „g“ für glamour. und auf einem armband aus der werkstatt desselben designerduos besitze ich ein armband, bei dem ich die buchstaben einfach umgetauscht und in die richtige reihenfolge gebarcht habe: G+D nämlich.

  3. Allgemeine Beschriftungsdränge

    Nun, der Hinweis auf die ‚Barbourjacke‘ aus Kommentar Nr.1, denke ich, zeigt schon in eine Richtung von der ich meine das dort die Antworten zu finden sind auf Ihre Fragen, werte Frau Modeste.
    Die zunehmende Beschriftung der Menschen ist, nachdem die umfassende Beschriftung der Umwelt zu Werbezwecken schon seit Jahr und Tag keinen mehr stört, nur logische Konsequenz.
    Sie sollten vorsichtig sein, und das waren Sie ja zugegebenermassen auch, mit der Verkategorisierung der Beschrifteten. Eine Dame Ihres Intellekts mag das „Barbour“ immer vor dem inneren Auge haben, ist sich quasi sicher jederzeit korrekt, mit understatement, da innen, beschriftet in die Welt zu schreiten, wohingegen andere eben immer zwischendurch daran erinnert werden wollen.
    Das diesem Verhalten zugrundeliegende Moment, darauf wollten Sie doch hinaus, oder ?

  4. Belstaff is längst the new Barbour. Barbourjacken zu tragen ist heute doch liebenswürdig altmodisch. Allerdings trägt der doofe Eckart von Klaeden auch Barbour. Immer frisch gewachst, so juristenhaft korrekt wie sein Scheitel. Ich stelle mir Sie, Frau Modeste, aber eher in einem ollen, verknitterten und ungewachsten Ding vor. Das wär dann wieder gut.

  5. bin im lafayette noch mal bewußt in der taschenabteilung gewesen. hätte das nicht tun sollen. oh! mein! gott! sind die häßlich!
    die designer sind sicher allesamt in der entzugsklinik gelandet.

  6. REPLY:

    Belstaff is new Barbour? Also, ich kenne Barbour als Jura-Studenten-Jacke
    und Belstaff als Motorradbekleidung bzw. autonome Streetfighter-Kluft. Aber
    vielleicht habe ich da auch etwas verpasst, meine Wahrnehmung der Ins und Outs
    ist ja oft um ein Jahrzehnt oder so verschoben, abgesehen davon, dass mein Modeempfinden
    eher auf der Ebene „Die trägt eine Jacke und keinen Sari“ funktioniert.

    Zu den beschrifteten Taschen fällt mir nur ein, dass es mal eine Zeit gab, als junge
    Schnösels Armani-Jackets mit umgekrempelten Ärmeln trugen, damit auch alle
    das (innen befindliche) Label sahen. Und dazu Jeans mit Bügelfalte 😉

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