Nach Hause

„Müssen sie auch morgen raus?“, fragt mich einer der beiden Männer an dem Stehtisch im Foyer, und einen Moment lang überlege ich, zu bleiben. – „Bis dann!“, tippt mir die B. auf die Schulter, die einen Termin hat, morgen früh um acht, und warum ich nicke, warum ich nach Hause fahre, anstatt weiter zu ziehen, weiß ich selber nicht.

Vielleicht ist es das, was das Erwachsensein ausmacht, überlege ich, als das Taxi hält: Dass die Müdigkeit stets die Erwartungen überwiegt, und keine Wünsche einen durch die Nächte tragen. Vielleicht ist es die Erwartungslosigkeit selber, die nicht mehr annimmt, dass hinter der nächsten Ecke, einen Straßenzug weiter, das Unbekannte wartet, und das Unbekannte größer, strahlender, oder auch nur anders ist, als das, was man kennt. Vielleicht ist es etwas wie Zufriedenheit, vielleicht ist es aber auch nur, dass man irgendwann, als man es selbst nicht wusste, einen dicken, schwarzen Strich gezogen hat, unterhalb dessen die Summe von dem steht, was mich ausmacht, und was zu reichen hat, die nächsten paar Jahrzehnte.

17 Gedanken zu „Nach Hause

  1. REPLY:

    Tatsächlich interessiere ich mich gerade nicht im Geringsten dafür, was aus der ganzen Veranstaltung wird. Ein schlechtes Zeichen, oder? Dabei – und das ist vermutlich das Schimmste daran – läuft alles rundum bestens.

  2. REPLY:

    wenn die kongresse tanzen, kein so schlechtes zeichen. und bestens ist immer: bestens! so versuche ich es auch gerade zu halten, jenseits vom immenhof. ’nicht ganz‘ bleibt ’nicht ganz‘, das ist auch schön in jener ungeduldsklinik.

  3. stimmt, meine ersten Jahre in Berlin habe ich kaum geschlafen, weil es mich vor lauter Erwartung, was die nächste Straßenecke, die nächste Bar, die nächste Stunde, der nächste Mensch so an Erlebnis bereit hält.

    Mittlerweile denke ich, ich habe alles schon gesehen, und es reißt mich nichts mehr vom Sofa weg.
    Dabei ist das weder Zufriedenheit oder Sättigung, sondern vielleicht ganz einfach sowas wie Resignation.

  4. Rührend, wie Sie die Verantwortung für etwas nicht aus der Hand geben wollen,
    was schon lange nicht mehr in dieser liegt.
    Das regelt doch heutzutage alles die Biologie, liebe Frau Modeste, Sie brauchen sich um nichts zu bekümmern!
    Lust, Unlust und sogar jener dritte Zustand, den ich bei Ihnen immer so trefflich beschrieben finde – alles vorprogrammiert!
    Bevor jetzt nach guten Gründen gesucht wird, die das Gegenteil behaupten wollen, sollten wir uns darüber klar werden, welch hohes Maß an Entlastung das mit sich bringt: Sie haben keine Lust, um die Häuser zu ziehen…? Irgendein ‚Botenstoff‘ sagt Ihnen: „Lieber nicht“! Seien Sie dankbar, dass ‚Schlussstriche‘ biologisch gezogen werden, wo kämen wir denn sonst auch hin…?
    Jedenfalls nicht nach Hause!

  5. Erwachsen als Werdegang ist endlos …

    … und da gibt es keine Endsummenspiele und keine Kontostände, die für die nächsten paar Jahrzehnte ausreichen müssen. Das Nachdenken darüber, was ‚Erwachsen‘ ist, hört nie auf und wird immer anregender – und anstrengender, was man aber nur in Schwächephasen bemerkt, denn man erwirbt, ähnlich wie im Sport, ‚Kondition‘ oder ‚Fitness‘ und Wendigkeit.
    „Erwachsen“ macht lebendig.

    P.S. Ich bin als Abonnent von http://rebellmarkt.blogger.de hierher gelangt.

  6. REPLY:

    Ich war weder ein artiges, noch ein Berliner Kleinkind. Ich war als hyperaktives Kind das Verzweifeln meiner Mutter. Böse Zungen behaupten, die Hyperaktivität sei mir erhalten geblieben, aber das ist nicht wahr.

  7. REPLY:

    Nein, das habe ich anders erlebt. Ich habe um meinen 30. Geburtstag letztes Jahr herum wirklich einen Bruch bemerkt, nicht unbedingt ein Absinken, aber doch eine Veränderung gegenüber dem Zustand zuvor.

    Zu Ihrem P.S.: Der Rebellmarkt, eines meiner Lieblingsblogs, ist natürlich stets eine gute Empfehlung.

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