Auf dem Rücken liegend geht es etwas besser. Auf der Seite dagegen pocht und sticht es, und ich fahre mit der flachen Hand ein paarmal über meinen Brustkorb, um die Regelmäßigkeit der Herztöne zu prüfen. Es sieht nicht gut aus. Besorgt – Tiere haben ein feines Gespür – sitzt auf dem Sessel neben meinem Bett der Kater. Er wird es schwer haben, wenn ich nicht mal mehr bin.
Gegen eine ernsthafte Erkrankung spricht immerhin, dass diese Beschwerden zwar regelmäßig, aber nur, also ausschließlich und ansonsten nie, im Urlaub auftreten, und zudem nicht in jedem Urlaub, sondern nur während längerer Phasen freier Zeit daheim. Verlasse ich die Wohnung, sind die Schmerzen wie weggeblasen. Auch führen Zigaretten nur bei Konsum allein zu Hause zu Beklemmungen im Brustkorb und einem brennenden Gefühl im Mund.
In der Badewanne lässt der Schmerz nach. Leider fällt mir, da bin ich schon ganz schrumpelig, Leo Perutz‘ dritte Kugel ins Wasser, weicht auf, und ist bei Gefahr des Zerreißens für heute nicht mehr lesbar. – Ob man Bücher föhnen sollte?, frage ich mich, ein bißchen verärgert über die Leseverzögerung, und greife dann doch, eingehüllt in J.‘s neuen Bademantel, zum nächsten Buch im Stapel.
Bei Thomas Glavinic letztem Roman, mir als amüsant empfohlen, geht es gleich auf Seite 1 um die Furcht vor Erkrankung. Hodenkrebs lässt mich kalt!, befehle ich mir, und verbiete mir jeden Gedanken an diejenigen Krankheiten, die Frauen statt dessen befallen. Sterben eigentlich mehr Frauen an Brust- als Männer an Hodenkrebs? Wahrscheinlich ja, sage ich mir, und lege das Buch mit leisem Bedauern zur Seite. Nicht allein, nicht im Urlaub, sage ich mir, und versuche, eine halbwegs bequeme Stellung einzunehmen. Der Kater liegt immer noch neben dem Bett.
Ein bißchen blass bin ich auch, stelle ich fest und drehe den Spiegel vorsichtshalber um. Überdies bekomme ich auf dem rechten Augenlid andere Falten als auf der linken Seite. In Ansehung meines nahen Todes ist aber auch das egal, beschließe ich und vereinbare telefonisch einen Termin im Hedwig-Krankenhaus. Ja, bitte vollständiger Check-Up.
Zwei Stunden später sage ich wieder ab. Wozu das alles. Die Beine eng an den Oberkörper gezogen liege ich auf dem Sofa und lese Vizinczey. Wie ich lernte die Frauen zu lieben. Neben mir schläft immer noch Kater Willy und tritt mir ab und zu träumend in den Bauch.
Vizinczeys reife Frauen sind wahrscheinlich jünger als ich, fällt mir ein. Die Ansichten über das weibliche Alter haben sich bekanntlich etwas verschoben im Laufe der Jahre. Wahrscheinlich ist Strauss‘ Marschallin Werdenberg jünger, mutmaße ich besorgt um mein künftiges Liebesleben und drehe den Spiegel wieder um. Nur eine kurze Kontrolle. Nun schmerzt es wieder. Beim plötzlichen Aufspringen, als das Telefon schellt, schmerzt es erst recht.
„Was machst du gerade?“, fragt die J. und schlägt einen Museumsbesuch vor. „Als Exponat?“, verkneife ich mir gerade noch.
„Nichts. Mich entspannen.“, antworte ich statt dessen.
Der Kater grinst.
Schade um den Perutz. Bei Thomas Glavinic hätte sich die Bäckertaufe eher empfohlen. Stephen Vizinczey gibt es mit famoser Diva auf dem Cover auch als Hardcover – eines der Bücher, die ich allein wegen der optischen Erscheinung haben musste. Überhaupt, Diven scheinen durch die allgemeine Verhungerung bedroht zu sein – es gibt nur noch Zicken, die sich in Hotelzimmer einsperren und hässliche Kleider stehlen.
Stechen, Schmerzen, Beklemmungen links. Dazu Atemnot. Fast täglich seit drei Jahren. Ich glaube, es ist ein Nerv, eine Verspannung, womöglich Panzerung im Sinne Wilhelm Reichs.
Landschaft hilft.
REPLY:
Das Landleben ist nichts für mich. Am Land werde ich binnen Stunden nervös, und wenn nicht ausreichend Zerstreuung verfügbar ist, werde ich erst etwas ungehalten, und dann grundlos traurig.
Von Wilhelm Reich zu hören, amüsiert mich allerdings eigentlich immer. Kennen Sie die jüngst stattgefundene Ausstellung in Wien? Auch ich würde gern einen Orgon-Akkumulator besitzen, von dem ich mir zwar wenig Heilung, aber stetiges Amüsement verspreche.
REPLY:
Inzwischen ist Perutz wieder trocken und liegt, leicht gewellt, auf meinem Nachttisch. Vom unterdessen gelesenen Glavinic war ich allerdings recht angetan, um nicht zu sagen: angenehm erheitert. Das ist weitaus mehr, als der größere Teil der Gegenwartsliteratur für sich verbuchen kann, der – so vermute ich – allerdings auch weniger darauf abzielt, mich zu amüsieren, als auf mir unbekannte Ziele, die ich mir ehrgeizig, wenn auch wenig angenehm vorstelle.
Flatulenz, böse oder Meteorismus
Macht sich häufig durch Druck in der Herzgegend bemerkbar. Aber auch Rücken- und Bauchschmerzen sind häufig auftretende Symptome. Nach Lösung verschafft sich der Betroffen nicht selten Erleichterung durch Ablassen von Gär- und Fäulnisgasen. Nicht selten wird dieser Prozess von unangenehmen Gerüchen begleitet.
Modeste, könnte es sein, dass Sie festsitzende Blähungen haben??