Vielleicht sagt dir nächste Woche einer, du seist krank, sehr krank, und dann kämen sie über dich mit pistaziengrünen Tüchern über dem Mund und spitzen, blitzenden Geräten. Vielleicht würden sie dir Schläuche in den Leib stecken, Flüssigkeiten würden ein- und ausgeleitet, eine Operation bliebe wirkungslos, eine weitere würde nur schaden, und in vier Wochen säßest du einem Arzt gegenüber, der dir sagt, dass du stirbst.
Früher oder später, würdest du antworten, sei das ja bei uns allen der Fall, und der Arzt würde nicht einmal den Mund verziehen angesichts des zugegeben dünnen Witzes. Denn er und die anderen sterben vielleicht auch – wie du – in einigen Wochen. Indes ist der Tod des Arztes zu diesem Zeitpunkt wenig wahrscheinlich, und deiner so gut wie sicher.
Ob er Fälle kenne, die geheilt worden seien, fragst du, und der Arzt schüttelt den Kopf. Ob man jemals von einer solchen Heilung gehört habe, willst du wissen, und er unterbricht dich etwas brüsk. Machen sie sich nichts vor, warnt er dich – wovor auch immer – aber natürlich gebe es immer Hoffnung, und ein Fall sei stets der Erste.
Dann fährst du nach Hause.
Der Taxifahrer wird laut irgendetwas ins Headset brüllen, was du nicht verstehst. Auf dem Bürgersteig rechts und links von der Straße gehen Leute herum, tragen Tüten und Taschen, und probieren in Geschäften Kleidungsstücke an, die sie tragen werden, wenn du tot bist, und das alles vorbei. Schöne Frauen, so schön, wie du niemals gewesen bist, werden von Männern angelächelt, die sie anrufen werden, wenn man dich beerdigt, und während du langsam verstehst, dass es das war, endgültig und ohne Wiederkehr, wirst du dir wünschen, noch einmal so, wie jetzt, so wie heute, am Schreibtisch zu sitzen. Das sei das Glück gewesen, wirst du dir sagen: Noch einmal eine Stunde der Sorglosigkeit, satt und müde am Sonntagabend. Ein Glas Wein vor dem Bad, gute Musik, und nichts, was du ändern würdest, im Großen und Ganzen, wenn du wüßtest, dass dies der letzte sorglose Sonntag wäre, und nächste Woche wärest du krank und in acht Wochen tot.
Wow. Phu!
Ich werde mir diesen Text an den Kühlschrank heften. Jedenfalls sollte man das tun. Damit man sich immer wieder ermahnen kann. Aber natürlich werde ich es nicht tun. Ich werde weiter in den Tag hinein leben und mit diesem und jenem unzufrieden sein und nur in ganz seltenen Momenten realisieren, dass es dies ist, mein Leben.
Aber danke für die Ermahnung. Phu!
Himmel!
Ein starker, kraftvoller Text! Toll. Gut, nicht zu lang, mit klaren Bildern. Und er geht unter die Haut.
Bin sehr beeindruckt und „berührt“.
Lieber Gruß, Ele