Deutsche Touristen zerfallen in zwei ungefähr gleich große Gruppen, von denen die eine im Ausland immerzu Deutsche treffen will, und die andere am liebsten nie. Erstere begeben sich zu diesem Zweck gern in strandnahe Ferienhotels, die mit ihrem deutschsprachigen Rezeptionspersonal in Katalogen werben, und beschweren sich, wenn vor Ort nicht alle deutsche Fernsehsender übertragen werden. Diese Gruppe zumeist angenehm schlichter Menschen schätzt am Ausland insbesondere das oftmals angenehme Wetter und beherrscht zudem keine Sprachen, insbesondere keine fremden. Bei der zweiten angesprochenen Gruppe dagegen liegt nicht falsch, wer diesen Menschen eine intensive Misanthropie unterstellt, die in den anderen Deutschen vor Ort täppische, lärmende und schlechtgekleidete Leute sieht, und in den Einheimischen verschlagene Wesen, die Reisenden nur minderwertigen Fraß in billiger, abgeschmackter Atmosphäre kredenzen, um selber sorgsam versteckt vor plattfüßigen Teutonen zu feiern und zu speisen.
Während also die Angehörigen der ersten Gruppe nach dem Urlaub gern erzählen, sie hätten sich im Ferienhotel Royal Sol mit Sabine und Rolf aus Essen angefreundet, hört man aus der zweiten Gruppe regelmäßig und triumphierend, überhaupt keine Touristen getroffen zu haben. Vielmehr habe man die Gaststätten der Ortsansässigen besucht, überaus landestypisch gegessen, die Bekanntschaft Einheimischer gesucht und gefunden, und habe also ein ungleich intensiveres Reiseerlebnis genossen als all diejenigen, die zufrieden seien mit den Empfehlungen der Reiseführer oder gar die ganze Zeit im Hotel blieben und vom Land rein gar nichts sähen.
Konfrontiert mit diesen, Ihnen, meine Damen und Herren, sicherlich sattsam bekannten Ausführungen sollten sie die Reisekonzepte beider Gruppen keinesfalls kritisieren. Denn Erstere würden Ihre Anmerkungen möglicherweise kränken, denn ein einfaches und unverdorbenes Gemüt könnte auch sorgsam gewählte Worte als Hochmut verstehen und Ihnen bildungsbürgerliche Vorbehalte unterstellen, die Sie selbstverständlich gar nicht hegen. Zweitere dagegen reagieren oftmals aggressiv auf auf der Hand liegende Fragen. So verärgert man jene, hakt man nach, wieso sich an dem doch offenbar sowohl angenehmen als auch zugänglichen Ort in fremden Landen keine anderen Reisenden aufhielten. Und wieso die Einheimischen um so viel zugänglich gewesen seien, als man selbst es gegenüber den Fremden ist, welche täglich die schöne Stadt Berlin besuchen, und die man niemals zu sich nach Hause einlädt, wie käme man auch dazu. Und wieso andernorts die Stätten, an denen sich Einheimische aufhalten, besonders landestypisch seien, wo doch jeder weiß, dass tatsächlich zumeist Schweden keine Köttbullar, Russen keinen Borschtsch, Deutsche kein Sauerkraut und Spanier keine Tapas essen, sondern jeweils Pizza, Spaghetti, Sushi und kalifornischen Wein in weltweit ziemlich ähnlichem Ambiente zu sich nehmen. Schließlich sind die einzigen, wirklich sehr deutsch anmutenden Orte Berlins jene, die kein Ortsansässiger, aber jede Urlauber auf der Suche nach dem wirklich Authentischen, Typischen aufsucht, und dort oft nicht einmal schlechtes Essen bekommt.
Erstere, die mit der deutschsprachigen Reiseleitung nämlich, empfehlen ihr Hotel übrigens sehr gern weiter. Zweitere dagegen zieren sich ein bisschen, denn nichts sei einem Ort weniger zuträglich als ein wachsender Zustrom an Touristen. Am Ende empfehlen sie dann doch, doch zu spät, stets zu spät, denn wenn man selbst an den gepriesenen Orten auftaucht, ist es zumeist aus mit dem Zauber des Landestypischen, und fröhlich prosten einem Sabine und Rolf aus Essen vom Nachbartisch aus zu. Mit etwas Glück isst man trotzdem gut.
Empfehlungen, so hört man dann nach seiner Rückreise, seien eben Gift, und am besten behielte man alles ganz für sich. Auf der Zunge liegt es einem dann, zu fragen, was das denn solle, denn das Essen werde ja nicht schlechter, wenn man darüber spreche, insbesondere, wenn auch Qualitätsverluste weitergetragen würden. Dies auszusprechen aber macht gar keine Sinn. Besser fahren sie damit, zu lächeln, zu schweigen, und ihrerseits mit gutem Beispiel voranzugehen, wenn Sie etwa aus Barcelona zurückkommen, auch wenn Sie mit so gut wie gar keinen Einheimischen gesprochen haben und die Lokale Ihres Vertrauens entweder in Reiseführern oder im Internet suchen und finden.
Also denn: Im Origens habe ich gut und unfassbar günstig den besten Spinat des Jahres mit Rosinen, Pinienkernen und Frischkäse, gefüllten Tintenfisch, Käse mit Quittengelee und Crema Catalana gegessen, auch wenn der Tisch vor den Toiletten etwas trostlos aussah. Bei Pinotxo in der Boqueria einen Kartoffelsalat mit Avocado, einen butterweichen, hinreißenden Kichererbsensalat mit Blutwurst und Zwiebeln, eine frische Seezunge, Hühnchen, Venusmuscheln, Langusten und kleine, süß getränkte Kuchen. Bei der Granja Viader eine dicke, dunkel Schokolade, eine mit Zitronenschale und Zimt gewürzte Milch und ein bisschen Torte aus einer Art Frischkäse. Bei Taller de Tapas nichts, was sich zu empfehlen lohnt, aber dafür bei Sagardi zu dritt fast dreißig Superschnittchen mit viel zu viel Sekt, umgeben von einem ganzen deutschen Fachanwaltskurs auf Reisen, und bei La Vinya Del Senyor gab es sehr, sehr guten Wein, nicht nur aus Spanien, und viel zu viel Cava.
Was gäbe ich jetzt für eine gute Crema Catalana? Einiges!
heut am strand
hab ich an sie gedacht;-)
auszerdem find ich auch, dass geteiltes wissen nicht unbedingt weniger werden muss …
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Oh ja. Hm. Ich habe schon mehrfach überlegt, zur Selbstproduktion überzugehen, schrecke aber bisher vor dem Aufwand zurück. Hat hier jemand einschlägige Erfahrungen?
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Und – wie hat es Ihnen gefallen?
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der strand oder die stadt?
wobei ich bei stränden als binnenländerin natürlich sehr tolerant bin;-)
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O, dass klingt ja ein wenig, als erstrecke sich das Wohlgefallen nicht auf alles Gleichermaßen.