Dein Vogelmann

Heut’ nacht, meine Liebe, hast du Hochzeit gefeiert und ich war da. Ein violettes Kleid hatte ich an, Volants an Saum und Ärmeln, und die Haare hochgesteckt mit einer Agraffe. Violett war auch dein Schleier, dein Kleid war blau, marineblau, und du sahst alt aus, alt und müde, und wenn die Sonne schien, schien sie manchmal durch dich durch.

Alt und müde war auch dein Priester, so alt, dass seine Haut schon ganz leer war, wie ein Handschuh ohne Hand, und seine Stimme war so hoch und fein, dass ich ab und zu nicht verstand, was er sagte. Alt und grau, hellgrau wie Staub, waren auch deine Gäste und zerflossen im Licht.

Angst habe ich bekommen, um dich und um mich. Dass sie mich nicht mehr rauslassen würden, hab ich gefürchtet, dass die Tür geschlossen bliebe nach der Trauung, und wir alle ersticken würden in der Kapelle, die aus Stein war und ganz ohne Schmuck und Tücher. Dass nicht einmal Kerzen brannten, hat mich erschreckt, dass der Priester sich abstützte mit der Hand auf dem Altar, einem einzigen, bruch- und schmucklosen Fels, und deine Gäste – wurde es still – röchelten, laut und rasselnd die Luft einzogen, keuchten, lauter als du, lauter als die Segensworte des Priesters, und dass dein Bräutigam schrie, auf einmal, lachte, kreischte vor Lachen, die Arme hochriss und tanzte und sprang, die Beine wirbeln ließ bis zur Hüfte und drüber, dass dein Bräutigam Krallen hatte, vier an jeder Hand, und auf seinen Schultern, vom Schlüsselbein aufwärts, den Kopf eines Habichts mit rotem, klaffendem Schnabel, so scharf wie zwei Messer und voller Blut.

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