Die B. ist von der Beerdigung zurück. Ein bißchen müde wirkt sie wegen des frühen Aufstehens, des Flugs hin und des Flugs zurück, und die Beerdigung war wohl auch kein Spaß. Ihren Onkel haben sie zu Grabe getragen, alle vier Exfrauen waren da und haben teilweise mächtig geweint. Vor allem die zweite sei fast hinterhergestorben vor Entwässerung, erzählt die B. und fährt mit der Gabel in ihre Pasta, weil zu allem Überfluss auch das Essen etwas karg ausgefallen ist.
Die fünf Kinder hätten teilweise einen etwas unbeteiligten Eindruck gemacht. Gerade der älteste Sohn, zehn Jahre älter als die B., sei umhergestanden, als ginge ihn das Ganze nichts an, seine Tochter fest an der Hand, die später Einiges werde erzählen können von dem Großvater, der ein Fresser und Säufer vor dem Herrn gewesen sei, zwei gebratene Hühner auf einmal habe verschlingen können, und Bier dazu zu bestellen pflegte, als wolle er ein Hopfenbad nehmen.
Mit den Frauen sei der Onkel gleichfalls umgegangen wie mit Bier und Geflügel. Nie habe es ihm gereicht, sogar seinen Nichten habe er schöne Augen gemacht, zumindest in dem Maße, wie ein 120 Kilo schwerer Mann eben schöne Augen machen kann. Zum Ausgleich sei der Onkel mächtig katholisch gewesen, viel gespendet habe er auch, und von seinen drei Wagen hat er einen dem kirchlichen Altenheim gestiftet, damit die alten Leute auch einmal Mercedes fahren. Er selbst hat es nicht mehr ins Altenheim geschafft, nicht einmal bis zur Rente.
Um ein Haar habe es noch so eine Art fünfte Witwe gegeben, erzählt die B. Ihr Onkel habe nämlich Beziehungen nach China aufgebaut, wo massenweise junge Frauen einen dicken Deutschen heiraten wollen. Zur Zusammenführung des Onkels mit der neuen Frau sei es aber nicht mehr gekommen. Die Familie hat’s gefreut.
„Keine schlechte Bilanz.“, sage ich und frage mich, was wohl andere über mich erzählen würden, würde auch mich der Blasenkrebs holen. Dass ich eine nette Person war, würde wohl der eine oder andere erzählen, und mancher würde sich still dabei denken, dass das nicht stimmt. Dass ich viel zu viel arbeite, weil ich nichts, was ich liebe, halb machen kann, und dann sind es eben täglich – heute auch – elf, zwölf Stunden. Dass ich eitel bin, launisch, immer hungrig und ein wenig unstet, würde man sich erzählen, und bei meiner Beerdigung hoffentlich so gut essen, dass niemand von der Leichengesellschaft abends bei einem Italiener in Berlin hintereinander Antipasti und Pasta mit Feigen und dann noch eine Panna Cotta hinterher bestellen müsste vor lauter Hunger.
Ich habe mir ähnliche gedanken gemacht, wo doch auch für mich letzte Woche eine beerdigung anstand. Aber ich glaube, ich will lieber noch ein wenig weiterleben, damit die Menschen um mich auch was Nettes zu erzählen haben. 😉
Ich würde Ihnen eine Grabrede auf Latein bestellen. Versprochen.
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Manchmal bezweifele ich, dass die Anekdoten, die der Rest der Welt noch über mich ansammelt, die Habenseite meines Nettigkeitskonto mehren. Von Zinsen ganz zu schweigen.
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Kann ich die Rede vielleicht im Vorfeld bekommen? Eine wachsende Mindermeinung behauptet, man habe ansonsten vielleicht nichts mehr davon.
Gerne. Sie müssten mich nur rechtzeitig vom anstehenden Ableben in Kenntnis
setzen, dann kontaktiere ich die besten Lateinredner in Oxford.
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kaltmamsell,
Sie kneifen!
Die Nachrede braucht ja nicht unbedingt das definitive Ende. Nicht nur Frau Modeste, auch alle anderen wären gespannt, was Sie zu sagen hätten.
Zugegeben, ich müsste meine Jahrzehnte brach liegenden Lateinkenntnisse wieder aus der Gedächtnisschublade heraus holen, für das Sinngemäße müsste es aber noch reichen.
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Nun, ich werde die Welt wissen lassen, wenn es ersichtlich zu Ende geht. Und Sie, liebe Frau Kaltmamsell, werden als erste davon erfahren.